anderbookz Short Story Compilation II
beunruhigte ihn. Sie lächelte und reichte ihm ihren Granatapfel. »Hier, beiß mal ab, Charles. Es ist wunderbar süß. Sie waren früher ausgestorben, weißt du. Sollen wir weiter nach oben gehen?«
Der achteckige Mittelteil des Leuchtturms mußte mehrere hundert Fuß Höhe messen, eine finstere, geschlossene Röhre, fast völlig ausgefüllt durch die zwei breiten, spiralförmigen Rampen, die sich um den innersten Schacht des Riesenbauwerks emporwanden. Es ging nur langsam voran, denn eine Gruppe von Eseln ging ein Stück vor ihnen auf der Rampe. Sie trotteten mühsam dahin, vollbeladen mit Holzbündeln zum Entzünden der Lampe. Aber zu guter Letzt, gerade als Phillips langsam außer Atem kam und ihm schwindlig wurde, erreichten er und Gioia den zweiten Balkon, der den Übergang zwischen dem achteckigen Teil und dem obersten Stockwerk des Leuchtturms bildete, das dünn und von zylindrischer Form war.
Sie lehnte sich weit über das Geländer. »Oh, Charles, schau dir diese Aussicht an! Schau nur!«
Es war beeindruckend. Von einer Seite aus konnte man die ganze Stadt sehen und den morastigen Mareotis-See und die staubige ägyptische Ebene dahinter, von der anderen sahen sie weit hinaus auf das graue, wechselhafte Mittelmeer. Er deutete auf die unzähligen Riffe und Sandbänke, die das Wasser vor der Hafeneinfahrt unsicher machten. »Kein Wunder, daß sie hier einen Leuchtturm brauchen«, meinte er. »Ohne irgendein weithin sichtbares Seezeichen würden sie nie den Weg aus dem offenen Meer in den Hafen finden.«
Ein Trompetensignal, ein wildes Schnauben, ertönte direkt über ihnen. Erschrocken blickte er auf. Ungeheure Statuen Trompete blasender Tritonen ragten in dieser Höhe an den Ecken des Leuchtturms hervor. Ein Signal, dachte er bei sich, eine Warnung an die Schiffe, die diese schwierige Passage bewältigen mußten. Er bemerkte, daß der Klang durch einen dampfgetriebenen Mechanismus erzeugt wurde, den Gruppen von schwitzenden Temporären, die um die Feuerstellen am Grunde eines jeden Tritonen herumschwärmten, in Gang gebracht hatten. Wieder einmal mußte er die kluge Art und Weise bewundern, in der diese Menschen ihre Reproduktionen antiker Bauwerke ausführten. Aber waren es Reproduktionen, überlegte er? Er verstand immer noch nicht, wie sie ihre Städte entstehen ließen. Soweit er wußte, war dies das authentische Alexandrien, aus seiner richtigen Zeit herausgerissen, so wie er. Vielleicht war dies der wirkliche, originale Leuchtturm und keine Kopie. Er wußte weder, was hier zutraf, noch, was davon das größere Wunder darstellen würde.
»Wie kommen wir zur Spitze?« fragte Gioia.
»Da hinten, glaube ich. Der Aufgang dort.«
Die gewundenen Eselsrampen endeten hier. Die Ladungen mit Brennstoff für das Leuchtfeuer wurden über einen Lastenaufzug im zentralen Schacht höher hinauf transportiert. Die Besucher gingen über eine enge Treppe weiter, die am oberen Ende so schmal wurde, daß es unmöglich war, sich während des Kletterns umzudrehen. Gioia eilte unermüdlich voran. Er hielt sich am Geländer fest und arbeitete sich höher und höher; dabei zählte er die winzigen Fensterschlitze, um sich während des Aufstiegs die Zeit zu vertreiben. Er war beinahe bei hundert angekommen, als er schließlich in den Vorraum der Leuchtfeuerkammer stolperte. Ungefähr ein Dutzend Besucher waren darin versammelt. Gioia stand an der gegenüberliegenden Seite, an der Mauer, die zur See hin offen war.
Er meinte hier oben spüren zu können, wie das Gebäude im Wind schwankte. Wie hoch waren sie wohl? Fünfhundert Fuß, sechshundert, sieben? Der Leuchtfeuerraum war eng und hoch und wurde durch einen schmalen Steg in einen oberen und einen unteren Abschnitt zerteilt. Unten nahmen einige Temporäre das Holz von dem Lastenaufzug herunter und warfen es in das hochauflodernde Feuer. Er konnte die gewaltige Hitze von da, wo er stand, fühlen, am Rande der Plattform, auf der der gigantische Spiegel aus poliertem Metall aufgehängt war. Flammenzungen schnellten empor und tanzten vor dem Spiegel, der seine blendenden Strahlen weit über die See warf. Durch einen Kamin entwich der Rauch. Auf der Spitze des Turmes schließlich stand eine Kolossalstatue des Poseidon, der streng, wild und drohend über dem Licht aufragte.
Gioia bewegte sich seitlich über den Steg, bis sie neben ihm stand. »Der Fremdenführer hat bereits alles erklärt, bevor du da warst«, sagte sie und zeigte mit dem Finger. »Siehst du diesen Platz dort
Weitere Kostenlose Bücher