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anderbookz Short Story Compilation II

anderbookz Short Story Compilation II

Titel: anderbookz Short Story Compilation II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Carol Oates , Peter Straub , Jewelle Gomez , Thomas M. Disch , Ian Watson , Robert Silverberg
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erblickte sie kurz zwischen den Wunderverkäufern im Persischen Basar und vor dem Zarathustra-Tempel und dann wieder am Goldfischteich im Schlangenpark. Aber er war sich nie ganz sicher, ob die Frau, die er sah, tatsächlich Gioia war, und er konnte nie nah genug an sie herankommen, um sicher zu gehen. Sie hatte eine eigene Art zu verschwinden, wenn er sich näherte, wie eine geheimnisvolle Lorelei, die ihn in einer hoffnungslosen Jagd immer weiter und weiter lockte. Nach einer Weile wurde ihm klar, daß er sie nur dann finden würde, wenn sie bereit war, sich finden zu lassen.
    Er verlor jedes Gefühl für die Zeit. Wochen, Monate, Jahre? Er hatte nicht die leiseste Ahnung. In dieser Stadt des exotischen Luxus, der Geheimnisse und der Magie war alles in ständigem Fluß und ständigem Übergang, und Unberechenbarkeit und Unbeständigkeit bestimmten die Tage. Gebäude und ganze Straßen wurden an einem Nachmittag niedergerissen und innerhalb von wenigen Tagen weit entfernt von ihrem ursprünglichen Platz wieder aufgebaut. Eindrucksvolle neue Pagoden wuchsen wie Pilze über Nacht. Aus Asgard, Alexandrien, Timbuktu und New Chicago kamen ständig Bürger herein, blieben eine Zeitlang, reisten ab und kamen zurück. Es gab eine dauernde Wiederkehr von Empfängen bei Hofe, Banketten, Theateraufführungen - sie ähnelten jeweils stark den vorangegangenen. Die Feste zu Ehren vergangener Kaiser und Kaiserinnen hätten den Zeitablauf des Jahres markieren können, aber sie schienen willkürlich angesetzt zu sein; die Zeremonie, mit der des Todes T’ai Tsung gedacht wurde, fand zweimal im Jahr statt, so schien es ihm, einmal in einer Zeit des Schnees und ein andermal im Hochsommer, und die, zu Ehren der Himmelfahrt der Kaiserin Wu, wurde dreimal in einer Jahreszeit abgehalten. Vielleicht hatte er da etwas mißverstanden. Aber er wußte, daß es keinen Sinn hatte, Fragen zu stellen.

    Eines Tages schlug Belilala unerwartet vor: »Sollen wir nach Mohenjo-daro gehen?«
    »Ich wußte gar nicht, daß es schon für Besucher zugänglich ist«, sagte er.
    »Oh, ja, seit einiger Zeit schon.«
    Er zögerte. Sie hatte ihn unvorbereitet getroffen. Vorsichtig sagte er: »Weißt du, eigentlich wollten Gioia und ich zusammen dort hinfahren.«
    Belilala lächelte freundlich, als sei der Gegenstand ihrer Unterhaltung nicht bedeutender als die Wahl des abendlichen Restaurants.
    »Tatsächlich?« fragte sie.
    »Es war alles abgemacht, als wir noch in Alexandrien waren. Statt dessen jetzt mit dir dort hinzugehen - ich weiß nicht, wie ich dir das erklären soll, Belilala.« Phillips wurde immer nervöser. »Du weißt, daß ich gerne gehen würde. Mit dir. Aber ich glaube, daß ich warten sollte, bis ich wieder mit Gioia zusammen bin. Falls sie überhaupt zurückkommt.« Wie dumm das klang, dachte er. Wie unbeholfen und kindlich. Er merkte, daß er sie nicht anschauen konnte. Verlegen, mit einer Art Verzweiflung in der Stimme, sagte er: »Ich hatte es ihr versprochen - es war eine Abmachung, verstehst du, eine feste Absprache - daß wir zusammen nach Mohenjo-daro gehen würden.«
    »Oh, aber Gioia ist bereits dort!« sagte Belilala in beiläufigem Ton. Er schnappte nach Luft, als hätte sie ihm einen Faustschlag versetzt.
    »Was?«
    »Sie war eine der ersten bei der Eröffnung, schon vor Monaten. Wußtest du das nicht?«
    Er war tief getroffen, verwirrt, betrogen und wütend. Seine Wangen wurden heiß und seine Lippen zitterten. Er schüttelte ein paarmal den Kopf, um wieder klar denken zu können, doch bevor er fähig war zu sprechen, verging einige Zeit. »Bereits dort? Nachdem wir abgemacht hatten - nachdem wir uns einig waren ...«
    Belilala lachte. »Aber wie hätte sie der Versuchung widerstehen können, die allerneueste Stadt zu sehen? Du weißt, wie ungeduldig Gioia ist!«
    »Ja. Ja.«
    Er fühlte sich wie benommen, konnte kaum denken.
    »So wie alle Kurzzeitler«, sagte Belilala. »Sie rennt hierhin und dorthin. Sie muß alles haben, jetzt, jetzt sofort, auf der Stelle. Du darfst von ihr nicht erwarten, daß sie deinetwegen irgend etwas lange aufschiebt, sie hat eine plötzliche Laune, und weg ist sie. Du solltest das eigentlich mittlerweile an ihr kennen.«
    »Ein Kurzzeitler?« Er hatte den Ausdruck nie zuvor gehört.
    »Ja. Das weißt du doch. Das hast du doch bestimmt gewußt.« Belilala strahlte ihn mit ihrem schönsten Lächeln an. Sie zeigte keine Spur von Verständnis für seinen Kummer. Mit einer plötzlichen Handbewegung fragte

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