Andere tun es doch auch (German Edition)

zuversichtlich, dass ich das irgendwie regeln kann, ich hoffe nur, ich komme rechtzeitig … Hm. Toll fand Lara es bestimmt nicht, dass ich sie von einer Minute auf die andere habe sitzen lassen. Und »Ich muss ganz schnell weg, ich erkläre es dir, bin sofort wieder da« waren sicher nicht die besten Worte, um mich zu rechtfertigen. Ich rufe sie besser nochmal an. Sie soll einfach in Ruhe das Essen genießen. Vielleicht bin ich wirklich schon zum Hauptgang wieder zurück.
    …
    Oh, ihr Handy ist aus. Aber vielleicht sollte ich mir auch nicht so viele Gedanken machen.
    L ARA    Ich habe es geschafft! Ich bin im Bett. Ich liebe es. Es ist so schön … weich! Aaaaaah! Und Kai kann sich gehackt legen. Er ist wirklich einfach nur ein blöder Ar… chrrrrrrrrr …
    K AI    »Eine Musik, so wat Seltsames ham Se noch nie jehört.« Ich muss sagen, das war untertrieben. Großonkel Karls Hammondorgel tönt so laut und fies wie noch nie. Und das, obwohl ich sie nur durch das Kellergitter höre. Die Leute, die das Monstrum repariert haben, haben es wirklich gut gemeint. Und er spielt Sachen, die er noch nie gespielt hat … Warte mal, das kenne ich doch. Ist das nicht dieser Superhit von Nirvana, na, wie hieß er noch mal? Genau, Smells like Teen Spirit . Dazu eine trockene Elektrogitarre, ein kräftiger Bass und ein treibendes Schlagzeug. Abgefahren. Smells like Teen Spirit auf der Hammondorgel.
    Ich schüttele den Kopf und gehe zum Eingang. Keine Minute später stehe ich zusammen mit Hausmeister Frickel vor der Heizungskellertür und versuche Kontakt mit der merkwürdigen Band dahinter aufzunehmen.
    » OOOOONKEL KAAAAAAARL!!! ICH BINS, KAI! KANNST DU MICH HÖÖÖÖÖÖREN ?!!!«
    » JA. BRAUCHST NICHT SO ZU SCHREIEN. «
    Verständigen können wir uns schon mal. Ein Glück. Aber sie spielen einfach weiter. Klar. Gehört ja zum Konzept. Jetzt nur nicht mit der Tür ins Haus fallen. Lieber Schritt für Schritt annähern. Und dabei nicht an die Sache mit dem Gas denken.
    » WARUM SPIELT IHR SMELLS LIKE TEEN SPIRIT ?«
    » ICH WOLLTE WIEDER DIE NATIONALHYMNE IN MOLL SPIELEN, ABER DEM LIEBEN HERRN ZIVI AM BASS WAR DAS JA AUF DIE DAUER ZU LANGWEILIG. «
    » VERSTEHE .«
    » ABER INZWISCHEN GEFÄLLT MIR SMELLS LIKE TEEN SPIRIT EHRLICH GESAGT SOGAR GANZ GUT. «
    » MIR AUCH. SMELLS LIKE TEEN SPIRIT AUF DER HAMMONDORGEL, DAS MUSS MAN ERST MAL BRINGEN. «
    » DANKE. IST SONST NOCH WAS? «
    » NA JA, DU WEISST SCHON, HERR FRICKEL MUSS AN DEN SICHERUNGSKASTEN, WEIL, NUN, DU KENNST DAS PROBLEM. KÖNNTET IHR NICHT … «
    » NEIN, WIR KÖNNEN NICHT AUFMACHEN. «
    » WEIL IHR DANN UNTERBRECHEN MÜSSTET? «
    » GENAU. EINE STARKE POLITISCHE AUSSAGE BRAUCHT AUCH EINE STARKE STIMME. «
    » MAL GANZ EHRLICH, ONKEL KARL, WAS GLAUBST DU, WIE VIELE LEUTE SICH DAS JETZT GERADE IM INTERNET ANSEHEN? HABT IHR PRESSEARBEIT GEMACHT? WEISS ÜBERHAUPT JEMAND DAVON? UND SELBST WENN, WAS GLAUBST DU, WIE VIELE LEUTE IN DER LAGE SIND, WWW.HOLTDIEJUNGSAUSAFGHANISTANZURUECK.DE FEHLERFREI EINZUTIPPEN, HM? «
    » UND WENN ES NUR EINER IST, DER ERZÄHLT DANN SEINEN FREUNDEN DAVON UND SO WEITER. AUCH EIN KLEINER STEIN KANN EINE LAWINE AUSLÖSEN. «
    » OKAY, VERSTANDEN. ANDERER VORSCHLAG: BEI SMELLS LIKE TEEN SPIRIT KOMMT DOCH AM ANFANG DER STROPHE IMMER DIESES VORSPIEL, BEI DEM DIE GITARRE NUR DA DIM MACHT UND DIE ORGEL AUSSETZT. «
    » JA. «
    » KÖNNT IHR DIESEN TEIL NICHT EINMAL EIN BISSCHEN LÄNGER SPIELEN? DANN HÄTTEST DU GENUG ZEIT, AUFZUSTEHEN UND HERRN FRICKEL REINZULASSEN. «
    » DAS IST EINE WIRKLICH GUTE IDEE, KAI. WÜRDE AUCH MUSIKALISCH ETWAS ABWECHSLUNG IN DIE AKTION BRINGEN. «
    » IHR DÜRFT AUCH DIE GANZE NACHT WEITERMACHEN, WENN IHR WOLLT. «
    Ich sehe Herrn Frickel an, er nickt. Die nächste Strophe beginnt, die Gitarre macht »da dim«, die Orgel setzt aus, und wenige Augenblicke später höre ich, wie sich ein Schlüssel im Türschloss dreht. Die Tür öffnet sich, und Großonkel Karl winkt Herrn Frickel herein. Wenn doch immer alles so einfach wäre.
    Noch bevor die Orgel wieder einsetzt, ist der gute Mann auch schon zurück.
    »Oh, das ging ja schnell mit der Sicherung, Herr Frickel.«
    »Ach wat, Sicherung. Der Sicherungskasten is janz woanders.«
    »Wie? Aber die Heizung … das Gas …?«
    »War nur’n Vorwand.«
    »Aber warum …?«
    »Weil ick heut Morgen dit Jerät hier drin verjessen hatte.«
    »Ihre Lesebrille?«
    »Jenau. Freitag brauch ick die. Da hab ick immer meen Majazin mit die künstlerisch wertvollen Fotos im