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Andere tun es doch auch (German Edition)

Andere tun es doch auch (German Edition)

Titel: Andere tun es doch auch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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Großonkel Karl lag als Siebzehnjähriger mit diesem Ding mehrere Stunden auf dem Meeresgrund und kam nicht vom Fleck. Motorschaden.«
    »Nein!«
    Ich will mir das nicht vorstellen!
    »Und die Luft wurde immer giftiger.«
    Das will ich mir erst recht nicht vorstellen.
    »Ach ja, und der Biber lag auch noch auf den beiden scharfen Torpedos unter seinem Bauch, die bei der kleinsten Erschütterung hochgehen konnten.«
    Kann er jetzt bitte aufhören?
    »Aber am Ende hatte er Glück. Durch irgendein Wunder sprang der Motor doch noch ein letztes Mal an, und er kam wieder an die Oberfläche. Halb erstickt, aber lebendig. Wenn man bedenkt, dass nur dreißig Prozent der Leute, die je mit so einem Ding aufgebrochen sind, überlebt haben, konnte er froh sein.«
    Schweine. Was für Schweine.
    »Seitdem ist Großonkel Karl ein etwas seltsamer Kauz, aber ich kann es ihm nicht verdenken. Und er geht immer auf die Barrikaden, wenn es irgendwas mit Krieg gibt oder junge deutsche Soldaten mies behandelt werden.«
    »Kein Wunder. Würde ich auch an seiner Stelle.«
    »Sagt dir die Starfighter-Affäre etwas?«
    »Die was?«
    »Die Starfighter-Affäre. Übler Bestechungsskandal aus den sechziger Jahren. Franz Josef Strauß hat als Verteidigungsminister Kampfflugzeuge aus den USA gekauft, von denen klar war, dass sie technisch nicht ausgereift waren. Junge Piloten stürzten reihenweise damit ab. 269 von 916 Flugzeugen. 116 Tote. Irgendwann hat Großonkel Karl versucht, Strauß während einer Veranstaltung mit einem ferngesteuerten Spielzeugflugzeug zu rammen.«
    »Hat er es geschafft?«
    »Fast. Der Flieger ist am Mikrofonständer hängengeblieben.«
    »Schade.«
    »Natürlich hatte er Schaumgummi vorne ans Flugzeug gebunden. Er wollte ja niemanden verletzen.«
    »Hätte er mal lieber einen Beutel Katzenkacke vorne dranbinden sollen.«
    »Zu schwer.«
    »Manno.«
    »Und als ich gestern aus dem Restaurant losgerannt bin, hatte mich das Altenheim angerufen, weil Großonkel Karl sich mit zwei anderen Senioren und einem Zivi im Heizungskeller eingesperrt hatte, um mit Dauermusik gegen den Bundeswehreinsatz in Afghanistan zu protestieren.«
    »Warum haben sie ihn denn nicht einfach gelassen?«
    »Haben sie auch, es gab nur eine kleine Komplikation, aber die konnte ich lösen, ohne dass sie die Musik unterbrechen mussten.«
    »Und spielen sie jetzt immer noch?«
    »Wer weiß, Karl trau ich alles zu.«
    »Ich mag deinen Onkel.«
    »Gehen wir noch einen Kaffee trinken?«
    Hä? Was? Einen Kaffee? Was hat jetzt Kaffee mit Afghanistan zu tun? Und damit, dass sie den armen Großonkel Karl in einem viel zu kleinen, abgasgefüllten Blechsarg im Meer versenkt haben? Und dass der blöde Mikrofonständer im Weg stand? Das ist doch … Ach so. Langsam. Ich verstehe, Kai will einen Kaffee mit mir trinken gehen. Das heißt … Kai will einen Kaffee mit mir trinken gehen! Dieser komische Kauz mit den viel zu gepflegten Schuhen und den Hammercocktails will … Oh, mir ist, als würde ich aus einer viel zu bösen Welt zurück in eine gute geholt. In eine sehr, sehr gute sogar.
    »Oh ja, gerne! Hier gibts doch bestimmt ein Museumscafé?«
    »Gibt es, aber lass uns lieber zurück nach Mitte fahren. Ich mag es hier nicht so. Nicht nur wegen des Mini-U-Boots, auch wegen des ganzen anderen Krams.«
    Wie schön! Irgendwie ticken wir ganz ähnlich. Es kommt jetzt immer mehr heraus. Kai ruft ein Taxi, und ich strahle derweil so sehr den Landwehrkanal an, dass er für die nächsten Stunden mindestens zwei Grad wärmer ist.
    K AI    Das Leben. So seltsam. Die Sonne steht tief und der Himmel und die Häuser und die Menschen und irgendwie alles. Mit anderen Worten: Ich bin verwirrt.
    Eben saß Lara mir noch gegenüber. Oder war es vor einer Stunde? Ich weiß es wirklich nicht. Wie ich sie angelächelt habe, muss sie geglaubt haben, ich will sie auffressen. Vielleicht war das zu viel? Oder lag es an der Grün wie die Liebe - DVD , die ich ihr zurückgeben wollte? Vielleicht war es dumm von mir, dass ich sie die ganze Zeit nur auf dem Cafétisch liegen gelassen habe? Vielleicht hat sie das als Signal gewertet, dass ich notgeil bin und sie heute unbedingt gleich wieder vernaschen will, so wie das letzte Mal, als wir diese DVD gucken wollten? Oder lag es am Ende doch an meinen Schuhen? Waren die unverzierten Captoes zu streng? Vielleicht wäre ein heller Ton besser gewesen? … Aber nein. Sie hat definitiv nicht auf meine Schuhe geschaut, bevor sie plötzlich meinte,

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