Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anderer Welten Kind (German Edition)

Anderer Welten Kind (German Edition)

Titel: Anderer Welten Kind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ehmer
Vom Netzwerk:
einer waren die Ringe ineinander verschoben, sodass die Glut im Inneren des Ofens hellrot leuchtete. Die Küche war so unaufgeräumt, wie es Christian noch nie gesehen hatte. Jede erdenkliche Stellfläche war übersät mit schmutzigem Geschirr, Farbdosen, Spiritusgläsern, in denen Pinsel steckten. Eine Pfanne mit undefinierbarem Kartoffelmatsch balancierte zwischen Spüle und Abtropfblech. In der dumpfheißen Ofenluft hing ein leicht abgestandener Geruch nach Verwesung und Spiritus.
    „Guck nicht so genau hin, ich habe es nicht geschafft aufzuräumen“, lachte Ricky die Peinlichkeit weg, „und außerdem bin ich keine Hausfrau.“
    Er räumte schnell ein paar Teller in die Spüle, die sie kaum fasste, so voll war sie, und schuf so einen kleinen Platz auf dem Tisch, auf den er zwei unterschiedliche Tassen stellte.
    „Ich koch uns mal einen Tee.“
    Während Ricky mit dem Kessel hantierte und dann eine Zuckerdose aus der Anrichte und zwei Teelöffel aus der Schublade hervorkramte, wollte Christian, der nicht recht wusste, wohin mit sich, seinem ersten Impuls nachgeben, Ricky anzubieten, den Abwasch zu machen oder ihm zumindest zu helfen. Er verwarf aber den Gedanken schnell wieder, gar nicht einmal, weil er sich vielleicht aufdringlich vorgekommen wäre, sondern weil ihm plötzlich das ganze Durcheinander zu beeindrucken begann. Es war ein fremder Blick in eine vollkommen fremde Welt. Es ist dieser erste Blick, an den man sich später erinnert, in der die Dinge anders aussehen, wie mit anderen Augen betrachtet. So, wie er vielleicht die ersten Berge oder die elektrifizierten Eisenbahnleitungen auf ihrer Fahrt in den Süden nach Karlberg bestaunt und sich die Erinnerung an diese Bilder bewahrt hatte. Diese Küche stach in jeder Beziehung von seiner gewohnten Umgebung ab und er nahm sie als Zeichen von Unabhängigkeit und Freiheit und musste zugeben, dass das alles gut zu Ricky passte. So wollte er auch eines Tages leben, schoss es ihm durch den Kopf. Und so einen kenne ich jetzt.
    Sie schlürften den Tee und begannen, sich wohler zu fühlen, sprachen über dies und das, ohne dass ein richtiges Thema aufkommen wollte. Trotzdem war es keine unangenehme Atmosphäre, die in der kleinen Küche herrschte. Eher eine vorsichtige Aufmerksamkeit ohne einen bedrohlichen Unterton. Eher ein unsicherer Umgang miteinander, hinter dem sich Neugierde verbarg. Irgendwo schlug dreimal eine Turmuhr und Christian dachte, dass er noch Zeit hatte. Seinen Eltern hatte er erzählt, er würde etwas mit Helga unternehmen, die, das wusste er, einen Verwandtenbesuch absolvieren musste.
    „Was machen wir?“, fragte Ricky. „Zu was hast du Lust?“
    Christian verzog den Mund und hob die Schultern. „Ich weiß nicht.“
    Nach der Malerei wagte er nicht zu fragen. Aber er hatte sich vorgenommen, sich noch einmal nach Malskat zu erkundigen und Ricky das Versprechen abzuluchsen, sie zusammenzubringen.
    Sie kamen aufs Kino zu sprechen und Christian erzählte von Peter Kraus und seiner Verachtung für ihn, schon zum zweiten Mal in so kurzer Zeit. Karin Baal und Horst Buchholz in Die Halbstarken oder James Dean, in … denn sie wissen nicht, was sie tun fand er dagegen gut, die seien irgendwie echt gewesen. Nachdem das also ausgetauscht war, schwiegen beide, bis es Christian unbehaglich wurde.
    „Ich habe deinen Freund, mit dem du im Venezia warst, vorm Kino gesehen, als dort Leute mit Schildern gegen diesen Film protestiert haben. Irgendwas mit anders.“
    Ricky war verdutzt, dass Christian die Begegnung ansprach. Er hätte nicht damit gerechnet, zumal Wullenwever ihm die Szene ziemlich genau geschildert hatte, und auch das Peinliche daran.
    „Wullenwever hat es mir erzählt. Er hat sich das mal aus einiger Entfernung angeschaut. Hat ihn interessiert.“
    Christian fragte nicht, was Wullenwever interessiert haben könnte. Damit konnte er sich jetzt nicht befassen. In Gedanken musste er erst einmal wieder zusammenkriegen, warum die Leute vor dem Kino mit ihren Schildern gestanden hatten. Das Treffen mit Wullenwever hatte er nur erwähnt, um sich wichtig zu machen.
    „Ich hatte zuerst gar nicht verstanden, worum es da ging. Erst als ich die Schilder gelesen hatte. Die waren doch gegen den Regisseur, das stand jedenfalls auf den Plakaten.“
    „Ja, stimmt. Veit Harlan war Regisseur bei den Nazis. Und der darf heute wieder filmen. Ist doch klar, dass das nicht jedem gefällt. Mir übrigens auch nicht. Weißt du überhaupt, wovon der Film

Weitere Kostenlose Bücher