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Anderer Welten Kind (German Edition)

Anderer Welten Kind (German Edition)

Titel: Anderer Welten Kind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ehmer
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zu einem ständigen Strom aus Verboten und Einschränkungen.
    Er schüttelte seine Gedanken ab, als Helga und Stefan außer Atem neben ihm auftauchten.
    „Stefan tanzt gut“, lachte Helga, „da kannst du dir eine Scheibe abschneiden.“
    Während Stefan sichtlich stolz war, merkte Christian, dass es ihm nichts ausmachte, immerhin hatte er vorhin ihr Schambein gespürt. Und wie sie es sagte, war keine Spur von Bosheit darin, eher eine kleine Keckheit, die sich zu diesem gewissen Blick gesellte.
    Später auf der Puppenbrücke verweilten sie ein paar Minuten an das Geländer gelehnt und schauten hinunter auf die bunten Wimpel und Lampen des Riverboats. Stefan zitiert laut:
    Zu Lübeck auf der Brücken
    da steht der Gott Merkur.
    Er zeigt in allen Stücken
    olympische Figur.
    Er wusste nicht von Hemden
    in seiner Götterruh;
    drum kehrt er allen Fremden
    den bloßen Podex zu.
    Sie sprachen lachend den letzten Satz zusammen.
    Die Skulptur des Gottes Merkur hatte vom vielen Streicheln einen blanken Hintern, der von den über die Handflächen abgesonderten Wünschen speckig geworden war, mit denen der kleine Kerl bis zum Platzen gefüllt wurde von all den Zeiten, in denen sich Hoffnungen in Wünschen manifestieren.
    Auf dem Nachhauseweg küssten sich Christian und Helga hektisch leidenschaftlich mit weit geöffneten Mündern und herumschnellenden Zungen, nachdem Stefan schon ein Stück vorausgegangen war. Nur, als Christian seine Hand nach unten wandern ließ, hielt sie sie fest und schüttelte leicht den Kopf.
    Als er noch in der ihm zugestandenen Zeit die Wohnungstür aufschloss, hörte er im Wohnzimmer den Fernseher laufen und steckte kurz den Kopf durch die Tür, um gute Nacht zu sagen. Bloß jetzt kein Frage- und Antwortspiel. Dann war er in seinem Zimmer.
    Ricky van Dülmen wusste nicht, wohin mit seinen Bildern. Es war doch eine blöde Idee, Christian zu sich nach Hause einzuladen. Er schaute auf seine Uhr und stellte mit Erschrecken fest, dass ihm nur noch etwas mehr als eine Viertelstunde blieb, um Bilder, Staffelei, Farbtöpfe und Pinsel zu entfernen. Sieben Gemälde lehnten an den Wänden, teilweise mit den Rücken zum Raum, oder sie gewährten, unordentlich übereinander gestapelt, kurze Einblicke und flüchtige Ahnungen von in fleischigen Farben eingepackten runden Formen oder schreifarbenen Flächen. Ein Bein, eine Hand, Hinternkugeln, ein halber glatzköpfiger Schädel mit einer ausgeprägten Augenbraue, begrenzt durch den darüber gelagerten Rahmen, gaben eine ganze Serie gleich gemalter Motive preis, bildeten selbst, wenn man die Augen zu Schlitzen verengte, ein abstraktes Abbild eines Körpers, bei dem nichts an seinem Platz schien in einem Meer kubistischer Formen.
    Richard von Dülmen war mittendrin in seiner Produktion der Etablissement-Bilder. Er verfluchte Malskat und hatte den Rauswurf immer noch nicht überwunden. Seine Wohnung war kein Atelier. Schlechte Lichtverhältnisse, nach Norden ausgerichtete Fenster, davor eine große Kastanie, die selbst im Winter das fahle Licht nachdunkelte. Er musste oft bei Lampenlicht malen. Und er malte unter Zeitdruck in einer immerwährenden Spannung zwischen Hast und Angst vor plötzlichem Besuch. Nach zwei, drei Bildern fiel ihm schon fast keine neue Variante mehr ein und er begann, bereits gemalte Motive zu komponieren, sich küssende Männer mal auf einer Wiese, mal in enger Umschlingung am Strand, Penisse in Mündern, in Aftern, sich gegenseitig mit der Hand befriedigend.
    Jetzt waren elf Gemälde bestellt, erheblich mehr eigentlich vereinbart, dafür mindestens ein Jahreseinkommen, und mit jedem weiteren wuchsen seine Angst und seine Fantasielosigkeit. Wullenwever konnte er sie nicht zum Aufbewahren geben. Dieses Ansinnen hatte der strikt und unwirsch abgelehnt. Er mochte diese Diskussion nicht zum wiederholten Male führen.
    „Die ganze Ladung auf einmal und am selben Tag ist sie bei mir raus“, hatte er mit dem Kunden vereinbart.
    „Und wie soll ich sie transportieren?“, hatte Ricky ganz entgeistert nachgefragt.
    „Du musst sie gut einpacken, dann holt sie der Möbelfahrer ab, der mir auch manchmal die Schränke transportiert. Besser noch, du bemalst eine zweite Leinwand.
    Darauf hatte er sich nicht einlassen können, so viel Zeit hatte er gar nicht. Denn wenn er auch die Serie in einem für ihn irrwitzigen Tempo malte, schludern konnte Ricky nicht und so trugen die achtzig mal hundert Zentimeter großen Gemälde seine Handschrift, auch wenn er

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