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Anderer Welten Kind (German Edition)

Anderer Welten Kind (German Edition)

Titel: Anderer Welten Kind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ehmer
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mochten sich nicht, hatten keinen Kontakt, Sebastian war herablassend und er hatte ihn noch nie in einem der erleuchteten Zimmer der Moltkestraße gesehen.
    Gerade, als er das Haus passierte, trat ein Mann aus dem Schatten der ersten Kastanie und wäre beinahe mit ihm zusammengestoßen. Christian, der schlechtgelaunt und gedankenverloren diesmal die hellen Fenster keines Blickes gewürdigt hatte, zuckte vor Schreck zusammen und wollte gerade auffahren, als er sein Gegenüber erkannte. Es war Wullenvewer, der ihn ebenso überrascht anschaute. Von seinem Stand aus war die Gruppe vor dem Kino gut zu beobachten.
    „Zum dritten Mal“, sagte Wullenvewer, „dann sollten wir uns kennenlernen. Ich heiße Wullenwever und bin mit Ricky befreundet. Und du musst Christian sein.“
    Christian war entgeistert. Er hatte Wullenwever bei den Zusammenstößen zwar registriert, ihn dessen ungeachtet nicht in Zusammenhang mit von Dülmen gebracht. Wullenwever, der die Verwirrung bemerkte, fügte hinzu, dass er ihn heute vor dem Venezia gesehen hätte, zusammen mit einer hübschen jungen Dame. Normalerweise war er nicht so gesprächig, vielleicht war ihm die Situation hinter dem Baum peinlich.
    „Ach so, Sie kennen Ricky“, sagte Christian und gebrauchte absichtlich den Vornamen und hoffte so, einen vertrauten Umgang mit von Dülmen zu suggerieren.
    „Ja, und er hat mir von dir erzählt, dass er dich im Moor beobachtet hat, na ja, die Geschichte kennst du besser.“
    Eigenartigerweise regte sich in diesem Moment kein Protest in Christian über das offensichtliche Hausierengehen von Dülmens mit ihrer Bekanntschaft. Es kam ihm selbstverständlich vor und er fühlte sich beinahe geschmeichelt, zumal in Wullenwevers Ton und seinem Blick aus wässrigen Augen nicht die geringste Spur von Überheblichkeit mitschwang.
    Mit einem Blick auf die Gruppe, die Anstalten machte auseinanderzugehen, fragte Christian ihn, ob er wisse, was die wollten.
    „Sicherlich“, antwortete Wullenwever, „die protestieren gegen den Regisseur des Films und wohl auch gegen den Film selbst.“
    Als Christian sich traute, die nächste Frage zu stellen, warum Wullenwever dort stünde, winkte er ab und sagte lächelnd in einem übertrieben deutschen Englisch, wobei er mit dem Zeigefinger der rechten Hand auf seinen Brustkorb zielte, “I’m not there, I’m gone” und machte Anstalten, sich zu entfernen. Dann drehte er sich noch einmal um und sagte, dass Christian seinen Vater nach Jud Süß fragen solle, der könne ihm bestimmt etwas erzählen. Zu Christians großer Überraschung setzte er hinzu, dass er ihn ruhig bei Gelegenheit in seinem Antiquitätengeschäft in der Mengegrube besuchen könne, Ricky wüsste, wo es sich befinde. Dann ging er mit einem merkwürdigen Trippelschritt Richtung Rehderbrücke davon.
    Wieder stand Christian da und schaute jemandem nach, der für ihn ein vages Angebot für ein Wiedersehen bereitgehalten hatte.

6. Kapitel

    Der dunkelblaue Pullover mit dem rotweißen Bruststreifen stank. Ausgefranst, ausgeleiert, mit Löchern in den Ellenbogen hing er mehr am Körper, als dass er saß. Um nichts in der Welt hätte Christian ihn gewaschen. Es war ein Symbol der harten körperlichen Arbeit, des Kampfes, des Sich-Schindens. Nichts, was beschönigt werden musste, was einer Fasson bedurfte. Wer ihn trug, war Mitglied der Ruderriege des Katharineums, der Ruderriege des Katharineums!, das musste man nicht erklären, das stand für sich. Wer hier mitmachte, wollte siegen, und wer siegen wollte, dem standen schweißtreibende, keuchende, in den Beinen und Armen zitternde, Muskeln bildende Plackereien bevor, Blasen an Händen und Hintern und Gewichte, die beim Stemmen das eigene Körpergewicht überstiegen. Und ein Platz im schweren Jugendvierer, der sich anfühlte wie ein Stück Heimat. Jede Schmierung der Dollen eine zärtliche Geste, alle Geräusche des Sitzes beim Vor- und Zurückrollen vertraut, die Unebenheit der Gleitschienen hunderte Male gespürt, jede Maserung in den Griffen der schweren Riemen eine persönliche Handschrift, getränkt vom Wasser der aufgeplatzten Blasen in den Innenflächen der Hände.
    „Und weg! Und weg!“ Die Stimme von Siggi schallte über das graue Wasser. Sie war hoch, fast noch im Stimmbruch. Das synchrone Eintauchen der Blätter und das kräftige Durchziehen knapp unterhalb der Wasseroberfläche gaben dem Boot so einen Schwung, dass Siggi mit dem Kopf nach vorne ruckte. Wolle warf Wasser und fing beinahe

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