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Anderer Welten Kind (German Edition)

Anderer Welten Kind (German Edition)

Titel: Anderer Welten Kind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ehmer
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winkte Stefan zu, der schon ins Klingelzeichen hinein in die Klasse stürzte, und tat so, als wenn er sich auf die Lateinstunde vorbereitete, indem er umständlich den Bellum gallicum und das Vokabelheft aus der Schultasche zerrte und sie akkurat vor sich auf den Tisch legte und die Positionen mit Daumen und Zeigefinger korrigierte. Er brauchte diese Ablenkung, denn über die Erleichterung schlich sich die Angst ein, sie sei nicht gekommen, um ihm aus dem Weg zu gehen. Die Sporttasche stand noch an ihrem Platz.
    Unruhig und fahrig verbrachte er die sechs Schulstunden. Mit Stefan verabredete er sich für den frühen Abend bei Kremers, vielmehr erwartete es Stefan ziemlich kurz angebunden von ihm, der es leid war, Christian hinterherzulaufen.
    „Mein Vater will auch mit dir sprechen“, fügte er hinzu. Christian, der Stefan nicht mehr ausweichen konnte, stimmte zähneknirschend zu, da er den Abend sicherlich nicht mit Richard von Dülmen oder Helga verbringen würde und ihn nichts nach Hause zog. Und so, dachte er, könnte er ein für alle Mal seine neue Auffassung zu den HIAG-Treffen klarstellen.
    „Wenn ich sie meinem Vater beigebracht habe, dann kann es bei Onkel Herbert auch nicht schlimmer kommen“, sagte er bei sich.
    Diesmal ging Christian schnurstracks ins Café und ergatterte einen freien Tisch an einem der Fenster zur Königstraße. Ricky war noch nicht da. Es war viel zu früh und er hatte weit über eine halbe Stunde Zeit, die er überwiegend aus dem Fenster starrend zusammen mit einer Limo verbrachte. Die Eisdiele war überfüllt mit Schülerinnen und Schülern des Katharineums und des Johanneums der älteren Jahrgangsstufen, die, mit Afri-Cola- oder Blunaflaschen bewaffnet, in Gruppen lärmend an den Tischen saßen oder drum herumstanden. Eis aß fast niemand. Die Jungen waren in der Überzahl, eine demografische Konsequenz aus dem Johanneum als Jungengymnasium und dem Katharineum, das erst seit einigen Jahren Mädchen aufgenommen hatte, und die Primanerstufe noch als reine Jungenklassen abschloss. Geografisch lagen die Mädchengymnasien an der Peripherie des Stadtkerns, bildeten also keine Laufkundschaft für das Venezia.
    Die große Mode waren Rollkragenpullover, wobei Schwarz und Dunkelgrau vorherrschten. Christian hätte auch gern einen gehabt, so einen feingestrickten mit einem engen, elastischen Bund, der sich nicht gleich beim ersten Tragen ausbeulte und schlapp herunterhing, und einem Rollkragen, der hocheng am Hals saß und zweimal umgeschlagen werden musste. Er erkannte einige Schüler des Johanneums vom Rudern wieder, die er mit einem kurzen Kopfnicken grüßte. Aus seiner Klasse sah er niemanden.
    So allein dazusitzen und verabredet zu sein, das gefiel ihm. Und mit Ricky, das gefiel ihm ausgesprochen gut, besser sogar noch als mit Helga, obwohl er die neugierigen und manchmal neidischen Blicke der anderen Jungen durchaus genoss. Er stellte sich vor, wie sie ihn alle verstohlen musterten, wenn Ricky käme und sich zu ihm setzte. Er hatte etwas vor, blieb nicht allein hocken, und es machte schon einen Unterschied aus, ob man irgendwo allein sitzt und allein wieder geht, oder ob man auf etwas Angenehmes wartet, denn dann hat das Warten etwas Zielgerichtetes, etwas, was zu Ende gebracht wird, was sich in Köperhaltung, Mimik und Gestik ausdrückt, nuancenfein und doch sichtbar, irgendwie wird man unangreifbarer.
    Langsam wurde er dennoch nervös. Die Erinnerung an Rickys genervten Gesichtsausdruck und Wullenwevers Teilnahmslosigkeit drängten sich ihm auf und ihm wurde mulmig bei der Vorstellung, Ricky könnte ihn wieder abblitzen lassen. Er kannte ihn überhaupt nicht außer aus den drei Begegnungen, die allesamt unter einem, milde ausgedrückt, unglücklichen Stern gestanden hatten. Die peinliche Begegnung im Deepenmoor und dieses schreckliche Gemälde von Ricky hatte er ganz schnell verdrängt, in der Marienkirche hatte er die Begeisterung und Liebe Rickys zur mittelalterlichen Malerei gespürt, aber auch seine Arroganz und Überheblichkeit, und ihn dafür bewundert und sich selbst als klein empfunden und deshalb altklug dahergeschwätzt und sich verzweifelt bemüht, einen nicht zu naiven und dummen Eindruck auf ihn zu hinterlassen. Als Ricky sich hier zu ihm und Helga gesetzt hatte, vermochte er nicht auf ihn zu achten, so sehr war er mit dem eigenen Herauswinden beschäftigt. Summa summarum, eher Pleiten, konstatierte er ernüchtert. Trotzdem hatte sich Ricky mit ihm verabredet, es konnte

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