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Anderer Welten Kind (German Edition)

Anderer Welten Kind (German Edition)

Titel: Anderer Welten Kind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ehmer
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also nicht alles schiefgelaufen sein.
    Als er dann endlich kam – aus der halben Stunde wurde fast eine ganze und Christian konnte seine zunehmende Aufgeregtheit schon nicht mehr bändigen –, wurde es ein sehr entspannter und kurzweiliger Nachmittag. Aus der ersten Befangenheit, die beide gleichermaßen erfasste, lösten sie sich langsam und Christian schilderte in aller Ausführlichkeit seine Anstrengungen im Moor, einen Blick auf Malskat zu erhaschen. Und fast beschämt beichtete er ihm, dass er Landschaftsbilder mochte und selbst zeichnete. Ricky war von seiner Ernsthaftigkeit und seiner Beobachtungsgabe berührt. Er fand, Christian hatte ein gutes Auge.
    „Werner Reuter heißt er“, sagte er, „er ist ein bekannter Lübecker Maler. Sein Stil hat etwas, das wir expressionistisch nennen. Du hast ganz recht, er malt wirklich sehr schön, ich mag ihn auch, besonders aber seine Schiffsbilder, obwohl seine Perspektiven nicht immer stimmen. Ich zeig dir das mal bei Niederegger in einer Ansicht vom Lübecker Hafen.“
    Christian fühlte sich sehr erwachsen und ihn durchströmte ein Gefühl der Dankbarkeit.
    Ernsthafter fügte Ricky hinzu, dass das mit Malskat wohl nichts mehr würde, weil er, Ricky, das Atelier aufgegeben habe und im Moment auch keine Möglichkeit sähe, eine Verbindung herzustellen. Mehr wolle er dazu nicht sagen.
    „Oder du musst wohl wieder deinen Posten einnehmen“, setzte er lakonisch nach, „aber ich glaube nicht, jedenfalls, so wie ich ihn kenne, dass er erfreut über deinen Besuch wäre.“
    Als Christian nachfragen wollte, schnitt er das Thema ab.
    „Lassen wir es dabei bewenden.“
    Dann lasse ich mir etwas anderes einfallen, dachte Christian. Jetzt war er schon zu weit in der Geschichte drin mit all den Mauern, die er hochgezogen hatte, den Halbwahrheiten und Lügengebilden, den falschen Fährten und den Risiken, Helga und Stefan zu verlieren, und der Absage, an den Waffen-SS-Treffen weiterhin teilzunehmen, die sein Verhältnis zu seinem Vater nachhaltig störte. Malskat hatte sich in dieser kurzen Zeit zu einem Synonym für eine eigene, nur durch ihn selbst gestaltete und verantwortete Idee entwickelt und er konnte nicht mehr dahinter zurück, es sei denn um den Preis einer schrecklichen persönlichen Niederlage. Er hätte es so nicht formulieren können, seine Gefühle hatten die Regie übernommen und führten ihn. Malskat war noch lange nicht ausgestanden. Ricky und im begrenzten Maße auch Wullenwever, der rutschte irgendwie mit rein, erschöpften noch nicht seinen Plan, dem Meisterfälscher persönlich gegenüberzustehen. Sie waren schon mehr, als er sich jemals fantasiert hatte, sie waren dennoch nicht das Ziel.
    Ricky gab heute in seiner Bekleidung den Halbstarken. Bei den Treffen mit Wullenwever achtete er auf eine weniger auffällige Garderobe, Mantel und Jackett oder die dreiviertellange Joppe.
    Einmal hatte er Wullenwever zufällig in der Stadt getroffen mit Lederjacke, T-Shirt und Jeans und der Frisur mit den angeklatschten, nach hinten gekämmten Seiten und der in die Stirn gedrückten Elvis-Tolle. Da hatte Wullenwever nur gesagt: „Mach dich nicht zum Affen.“ Das hatte gesessen.
    Trotzdem verzichtete er nicht auf diesen Stil, dessen Insignien wie Motorradfahren oder Rock ’n’ Roll ihn nicht sonderlich interessierten, aber die lässige Körpersprache und die unkonventionelle, wenn nicht sogar rebellische Attitüde stünden ihm gut, fand er. Er bemerkte, wie Christian ihn beifällig musterte, er meinte sogar, eine Spur Anhimmelei zu beobachten, und er musste aufpassen, nicht den Gockel zu spielen. Außerdem hatte die Bekleidung Signalcharakter, wenn er auf seinen Streifzügen die Parkanlagen und öffentlichen Toiletten durchkämmte.
    Dann hatte er eine Idee.
    „Hast du nicht Lust, mich einmal zu besuchen?“, fragte er.
    Als Christian sofort nickend zustimmte, verabredeten sie sich für die Woche nach Weihnachten, und nach ein paar Minuten, in denen sie versuchten, das Gespräch aufrechtzuerhalten, merkten sie, wie es versiegte, und Ricky übernahm die Initiative, sich bald zu verabschieden. Sie reichten sich auf dem Trottoir die Hand, Rickys war trocken und Christians vor lauter Aufgeregtheit verschwitzt. Ricky verschwand wieder in Richtung der Altstadtgruben.
    Es hatte sich gelohnt. Christian fuhr in euphorischer Stimmung nach Hause. Für diesen Moment waren Helga, die Kremers und seine Mutter vergessen. Er rekapitulierte die Begegnung und fühlte sich zum ersten

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