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Andorra

Andorra

Titel: Andorra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Frisch
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meinesgleichen hat kein Gemüt.
    PATER Setz dich!
    ANDRI Stimmt das, Hochwürden, dass ich kein Gemüt habe?
    PATER Mag sein, Andri, du hast etwas Gehetztes.
    ANDRI Und Peider sagt, ich bin feig.
    PATER Wieso feig?
    ANDRI Weil ich Jud bin.
    – 30 –
    Max Frisch - Andorra
    PATER Was kümmerst du dich um Peider!
    Andri schweigt.
    Andri, ich will dir etwas sagen.
    ANDRI Man soll nicht immer an sich selbst denken, ich weiß. Aber ich kann nicht anders, Hochwürden, es ist so. Immer muss ich denken, ob's wahr ist, was die ändern von mir sagen: dass ich nicht bin wie sie, nicht fröhlich, nicht gemütlich, nicht einfach so Und Hochwürden finden ja auch, ich hab etwas Gehetztes. Ich versteh schon, dass niemand mich mag. ich mag mich selbst nicht, wenn ich an mich selbst denke.
    Der Pater erhebt sich.
    Kann ich jetzt gehn?
    PATER Jetzt hör mich einmal an!
    ANDRI Was, Hochwürden, will man von mir?
    PATER Warum so misstrauisch?
    ANDRI Alle legen ihre Hände auf meine Schulter.
    PATER Weißt du, Andri, was du bist?
    Der Pater lacht.
    Du weißt es nicht, drum sag ich es dir.
    Andri starrt ihn an.
    Ein Prachtskerl! In deiner Art. Ein Prachtskerl! Ich habe dich beobachtet, Andri, seit Jahr und Tag -
    ANDRI Beobachtet?
    PATER Freilich.
    ANDRI Warum beobachtet ihr mich alle?
    PATER Du gefällst mir, Andri, mehr als alle andern, ja, grad weil du anders bist als alle. Was schüttelst du den Kopf? Du bist gescheiter als sie. Jawohl! Das gefällt mir an dir, Andri, und ich bin froh, dass du gekommen bist und dass ich es dir einmal sagen kann.
    ANDRI Das ist nicht wahr.
    PATER Was ist nicht wahr?
    ANDRI Ich bin nicht anders. Ich will nicht anders sein. Und wenn er dreimal so kräftig ist wie ich, dieser Peider, ich hau ihn zusammen vor allen Leuten auf dem Platz, das hab ich mir geschworen –
    PATER Meinetwegen.
    ANDRI Das hab ich mir geschworen -
    PATER Ich mag ihn auch nicht.
    ANDRI Ich will mich nicht beliebt machen. Ich werde mich wehren. Ich bin nicht feig- und nicht gescheiter als die ändern, Hochwürden, ich will nicht, dass Hochwürden das sagen.
    PATER Hörst du mich jetzt an?
    ANDRI Nein.
    Andri entzieht sich.
    Ich mag nicht immer eure Hände auf meinen Schultern ...
    Pause
    PATER Du machst es einem wirklich nicht leicht.
    Pause
    Kurz und gut, deine Pflegemutter war hier. Mehr als vier Stunden. Die gute Frau ist ganz unglücklich. Du kommst nicht mehr zu Tisch, sagt sie, und bist verstockt. Sie sagt, du glaubst nicht, dass man dein Bestes will.
    – 31 –
    Max Frisch - Andorra
    ANDRI Alle wollen mein Bestes!
    PATER Warum lachst du?
    ANDRI Wenn er mein Bestes will, warum, Hochwürden, warum will er mir alles geben, aber nicht seine eigene Tochter?
    PATER Es ist sein väterliches Recht -
    ANDRI Warum aber? Warum? Weil ich Jud bin.
    PATER Schrei nicht!
    Andri schweigt.
    Kannst du nichts andres mehr denken in deinem Kopf? Ich habe dir gesagt, Andri, als Christ, dass ich dich liebe - aber eine Unart, das muss ich leider schon sagen, habt ihr alle: Was immer euch widerfährt in diesem Leben, alles und jedes bezieht ihr nur darauf, dass ihr Jud seid. Ihr macht es einem wirklich nicht leicht mit eurer Überempfindlichkeit.
    Andri schweigt und wendet sich ab.
    Du weinst ja.
    Andri schluchzt. Zusammenbruch.
    Was ist geschehen? Antworte mir. Was ist denn los? Ich frage dich, was geschehen ist. Andri! So rede doch. Andri? Du schlotterst ja. Was ist mit Barblin? Du hast ja den Verstand verloren. Wie soll ich helfen, wenn du nicht redest? So nimm dich doch zusammen. Andri! Hörst du? Andri! Du bist doch ein Mann.
    Du! Also ich weiß nicht.
    ANDRI - meine Barblin.
    Andri lässt die Hände von seinem Gesicht fallen und starrt vor sich hin.
    Sie kann mich nicht lieben, niemand kann's, ich selbst kann mich nicht lieben...
    Eintritt ein Kirchendiener mit einem Messgewand.
    Kann ich jetzt gehn?
    Der Kirchendiener knöpft den Pater auf.
    PATER Du kannst trotzdem bleiben.
    Der Kirchendiener kleidet den Pater zur Messe.
    Du sagst es selbst. Wie sollen die ändern uns lieben können, wenn wir uns selbst nicht lieben? Unser Herr sagt: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Er sagt: Wie dich selbst. Wir müssen uns selbst annehmen, und das ist es, Andri, was du nicht tust. Warum willst du sein wie die andern? Du bist gescheiter als sie, glaub mir, du bist wacher. Wieso willst du's nicht wahrhaben? 's ist ein Funke in dir Warum spielst du Fußball wie diese Blödiane alle und brüllst auf der Wiese herum, bloß um ein Andorraner zu sein? Sie

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