Androidenträume
die sie dir gerne vorstellen möchte. Sie hat einen Doktor in irgendwas. So hat sie es formuliert.«
»War meiner Mutter klar, dass sie mit einem Agenten und nicht mit mir gesprochen hat?«, wollte Creek wissen.
»Das ist schwer zu sagen«, antwortete der Agent. »Sie redete ununterbrochen, bis sie auflegte. Ich erhielt keine Gelegenheit, ihr mitzuteilen, dass ich nicht du bin.«
Creek grinste. Das klang ganz nach seiner Mutter. »Zweite Nachricht, bitte.«
»Von Ben Javna. Er interessiert sich für den Fortschritt deiner Ermittlungen.«
»Schick ihm eine Nachricht, dass ich Neuigkeiten für ihn habe und ihn heute Abend oder morgen früh zurückrufen werde. Dritte Nachricht, bitte.«
»Sie kommt von einem IBM-Server in der NOAA. Deine Software ist entpackt, modelliert und installiert. Sie wartet auf weitere Anweisungen.«
Creek nahm vor der Tastatur Platz und setzte die Monitorbrille auf. Nun wurde die Gestalt seines Agenten mitten in sein Wohnzimmer projiziert. »Gib mir bitte ein Fenster für den IBM«, sagte er zu ihm. Der Agent öffnete das Fenster, das aus einem Eingabefeld bestand. Creek tippte »Diagnose« und wartete, während sich die Software selbst auf Fehler überprüfte.
Die Bezeichnung »intelligenter« Agent ist im Grunde irreführend. Die gemeinte »Intelligenz« bezieht sich auf die Fähigkeit des Agenten, zu verstehen, was der User von ihm will, auf der Basis seiner Redeweise oder Gestik. Er muss intelligent genug sein, um »Ähs« und »Hmms« sowie die seltsamen sinnleeren Abschweifungen grammatikalisch einzuordnen, die für die alltägliche menschliche Kommunikation so typisch sind. Er muss verstehen, dass Menschen die Satzstellung durcheinanderbringen und selbst die einfachsten Wörter falsch aussprechen, und er muss damit rechnen, dass Menschen ihrem Gesprächspartner beinahe telepathische Fähigkeiten unterstellen, wenn sie von »du weißt schon, dieser Typ, der in diesem Film gespielt hat, wo diese Sachen passierten und so« faseln.
Im Allgemeinen gilt: Je intelligenter ein Agent ist, desto weniger intelligent muss der User sein, der ihn benutzt. Wenn ein intelligenter Agent erst einmal verstanden hat, wonach man sucht, ist die eigentliche Suche keine besonders schwierige Aufgabe mehr. Es geht nur noch darum, in den verschiedenen öffentlichen und privaten Datenbanken nachzusehen, auf die er Zugriff hat. In praktischer Hinsicht hat sich die Suchfunktion eines intelligenten Agenten seit der Frühzeit der elektronischen Datenverarbeitung im ausgehenden 20. Jahrhundert kaum verändert.
Was intelligente Agenten gar nicht gut können, ist das Denken – die ständigen logischen Schlussfolgerungen, die für Menschen völlig normal sind. Die Gründe dafür sind sowohl praktischer als auch technischer Natur. Der praktische Aspekt ist, dass es keinen großen Markt für denkfähige intelligente Agenten gibt. Die Menschen wollen gar nicht, dass ihr Agent mehr tut als das, was sie ihnen sagen, und sie betrachten jeden Versuch, Eigeninitiative einzuprogrammieren, nicht als Bereicherung, sondern eher als Mangel. Bestenfalls wollen die Leute, dass ihr intelligenter Agent ihnen Dinge vorschlägt, die sie kaufen sollten, auf der Grundlage dessen, was sie bisher gekauft haben. Und das ist der Grund, warum nahezu alle Agenten mit »wahrer Intelligenz« von Einzelhandelsketten initiiert worden sind.
Doch selbst auf diesem Gebiet haben die Firmen sehr schnell gelernt, dass die Kunden es vorziehen, wenn die ihnen unterbreiteten Kaufvorschläge nicht allzu treffend sind. In einem der großen ungeschriebenen Kapitel der Geschichte der Intelligenzprogrammierung im Auftrag der Einzelhandelsketten geht es um einen personalisierten »Shopper«, der allzu genau die Wünsche der Kunden analysierte und Vorschläge unterbreitete, die auf dem basierten, was die Käufer wirklich wollten, und nicht, was sie zu wollen behaupteten. Das führte dazu, dass ein betont männlicher Testuser Vorschläge erhielt, einen Analdildo und einen Bildband mit den Werken des klassischen homoerotischen Künstlers Tom of Finland zu kaufen, während einer Testuserin, die mitten in einer unangenehmen Scheidung steckte, empfohlen wurde, eine kleine Handwaffe, eine tragbare Kettensäge und mehrere Kanister eines industriellen Lösungsmittels zu bestellen, das jedes organische Gewebe in eine leicht wegzuspülende Flüssigkeit verwandelte. Nach dem ersten historisch dokumentierten Fall eines Zielgruppenaufstands wurde das personalisierte
Weitere Kostenlose Bücher