Andular II (Die Erneuerung des Kreises) (German Edition)
beiden Kinder hin begab sich Renyan das ein oder andere Mal mit ihnen zu einigen Übungen der Soldaten, um Crydeol zu zusehen oder näheres über die Techniken und Strategien der Armee kennen zu lernen. Besonders Cale war sehr interessiert an ihrer Kampfkunst und so bot Renyan an, ihn im Bogenschießen und Schwertkampf zu unterrichten. Sobald einer der Übungsplätze von den Soldaten nicht in Anspruch genommen wurde, und nachdem Crydeol ihnen sein Einverständnis gegeben hatte, übten sie dort stundenlang, meist so lange, bis die Kinder erschöpft zu Boden fielen und am liebsten auf der Stelle eingeschlafen wären. Besonders Cale zeigte sich äußerst diszipliniert und als sehr geschickt im Umgang mit dem Bogen, und so zog Renyan am nächsten Tag mit ihm los, um in einem der Läden des zweiten Bereiches nach einem ausreichenden Bogen für ihn zu suchen. Da sein Eigener bei der Begegnung mit den Woggels zerbrochen wurde, besorgte er sich ebenfalls einen neuen, nicht so schön wie sein alter, aber dennoch gut genug, um mit dem Jungen zu üben.
Nachdem sie das Mittagessen hinter sich gebracht hatten, drängte Cale nach weiteren Lehrstunden und so machten sie sich auf um Leeni in Inoels Gemächern abzuholen. Doch zu Cales Enttäuschung hatte sie an diesem Tag keine Lust. Nicht weil sie Muskelkater hatte oder sich krank fühlte, sondern weil ihr einfach nicht der Sinn danach war, wie sie den beiden mitteilte. Der wahre Grund für ihre Unlust war jedoch ein ganz anderer, doch diesen wollte sie den beiden nicht nennen, obwohl er Renyan später noch während des Trainings mit Cale einfiel.
Einige Zeit war vergangen seit Renyan und Cale ohne ihre kleine Freundin losgezogen waren, da betrat Inoel ihr Zimmer und sah Leeni gedankenverloren vor einem der großen Fenster stehen. „Das Wetter ist zu schön um es nur durch das Fenster zu bestaunen, Leeni. Warum gehst du nicht hinaus in die Stadt?“
„Selbst das schönste Wetter könnte aus dem heutigen Tag keinen schönen Tag machen. Jedenfalls nicht für mich.“
„Warum nicht?“, fragte Inoel und kniete sich vor ihr auf den Boden. „Warum bist du so traurig? Und erzähl mir nicht, dass du es nicht bist, ich habe es bereits bemerkt, als ich hineinkam.“
„Es liegt am heutigen Tag“, antwortete Leeni leise und wandte ihren Blick zu Inoel. „Ich bin an jedem 20. Mai traurig.“
„Weshalb? Vielleicht möchtest du es mir ja sagen? Ich verspreche dir, dass ich es niemandem erzählen werde! Zwei Frauen können doch ein Geheimnis für sich behalten, meinst du nicht?“
Ein kurzes Lächeln huschte über Leenis Gesicht, doch dann blickte sie wieder mit traurigen Augen aus dem Fenster.
„Meine Mutter ist an einem 20. Mai gestorben. Vor genau sechs Jahren.“
„Das tut mir leid, Leeni“, sprach Inoel und nahm ihre Hand. „Wodurch ist sie gestorben?“
„An einer schweren Krankheit. An jenem Tag waren mein Vater und ich die ganze Zeit bei ihr und irgendwie schien sie zu spüren, dass der Zeitpunkt gekommen war und so schickte sie mich hinaus, um etwas Wasser für sie zu holen. Und in dem Moment, als ich das Zimmer verlassen hatte, starb sie. Sie konnte es wohl nicht ertragen vor meinen Augen zu sterben und so schickte sie mich unter diesem Vorwand hinaus. Als ich kurze Zeit später wieder zurückkam, wartete mein Vater bereits vor ihrer Zimmertür auf mich, und als ich die Tränen in seinen Augen sah, wusste ich, dass sie von uns gegangen war.“
„Wie alt warst du damals?“
„Einundzwanzig. Aber das ist kein Alter für uns Talani. Wir zählen unsere Jahre anders als ihr Menschen. Nach eurer Rechnung war ich damals ungefähr sieben Jahre alt.“
Inoel schwieg einen Moment lang. Sie kannte die Trauer des kleinen Mädchens nur allzu gut, denn ihr war es ähnlich ergangen.
„Auch ich habe meine Mutter verloren, Leeni. Und im Gegensatz zu dir habe ich sie nie kennengelernt. Sie starb kurz nach meiner Geburt. Ihre Zeit hat lediglich noch dazu gereicht, mir meinen Namen zu geben.“
„Ich weiß. Renyan hat es mir einmal erzählt. Dein Vater hatte es bestimmt nicht einfach, als er dich alleine großziehen musste, nicht wahr?“
„Nein“, antwortete Inoel und lächelte. „Aber dennoch hat er sich die größte Mühe mit mir gegeben. Damals hat mein Vater mir immer ein Lied vorgesungen, wenn er mich ins Bett gebracht hat. Möchtest du es einmal hören?“
„Sehr gerne“, antwortete Leeni und so schloss Inoel ihre Augen und begann leise eine Melodie zu
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