Andular (Noirils Verrat) (German Edition)
bis wir das Meer erreicht haben. Jedoch fällt dieser Weg steil ab und wird gerade den Tieren einiges abverlangen.“
Jesta blickte niedergeschlagen zu seinem Esel.
„Das wirst du schon schaffen, nicht wahr alter Junge?“, sprach er und streichelte über den Kopf des erschöpften Tieres.
„Er wird es schaffen“, rief Crydeol ihm aufmunternd zu. „Nevur hat den ganzen Weg bis hierhin gemeistert und wird auch noch den Rest schaffen. Mit genügend Pausen schaffen wir es alle.“
Jesta stand wieder auf und nickte Crydeol hoffnungsvoll zu. Dann machten sie sich an den Abstieg. Es kam Jesta wie eine Ewigkeit vor, aber nach einiger Zeit hatten sie das Meer tatsächlich erreicht. Nevur und Lago ließen sich erschöpf an einigen Felsen nieder, und Jesta und Crydeol schütteten einen Großteil ihres Wassers in zwei Schalen, aus denen die Tiere hastig tranken.
„Es wird nicht reichen“, sagte Crydeol. „Aber es ist besser als nichts und besser als das salzige Meerwasser.“
Nachdem sein Esel die Schale vollkommen leer getrunken hatte, schüttete Jesta auch noch den letzten Rest hinein. Crydeol sah ihm bewundernd dabei zu und tat es ihm anschließend gleich.
„Jetzt haben wir beide nichts mehr zu trinken“, sagte er leise.
„Das ist mir egal!“, erwiderte Jesta. „Nevur hat es nötiger als ich.“ Die letzten nassen Stellen der Schale überließ er seinem Wullom und steckte die Schale anschließend wieder in Crydeols Satteltasche.
„Wir haben zwar etwas Zeit verloren“, sagte Crydeol, „aber wir sollten hier dennoch etwas verweilen. Vielleicht haben wir ja Glück und wir treffen auf unserem Weg in Richtung Osten auf einen Bach oder Quell.“ Er schaute die Hänge hinauf, von denen sie gekommen waren. „Sobald wir weiter gehen, werde ich zu Fuß etwas oberhalb auf den Hängen marschieren. Noch steht die Sonne hoch genug, und mit etwas Glück, stoße ich dort vielleicht auf Wasser.“
Jesta nickte ihm dankend zu und lehnte sich an einen großen Stein, der in Nevurs Nähe lag, und schloss die Augen. „Gut. Aber zunächst sollten auch wir beide uns etwas ausruhen“, sagte er und Crydeol nickte zustimmend, während er seinen Blick über die schäumenden Wellen des Meeres schweifen ließ.
„Wenn man von hieraus weiter nach Süden segelt“, sprach er und warf einen kleinen Stein ins Wasser, „kommt man irgendwann nach Brahn, sofern man Fyrilon vorher umsegelt. Ich frage mich, wie es Nomys wohl gerade ergeht.“
Jesta erhob sich und ging auf den General zu, der gedankenverloren in die einbrechenden Wellen starrte.
„Wie soll es ihm schon gehen?“, sagte er gelangweilt. „Bestimmt besser als uns beiden hier, meint ihr nicht?“
Der General warf erneut einen Stein und sah ihm hinterher, wie er viermal über die Wasseroberfläche hüpfte und schließlich von einer Welle verschluckt wurde.
Jesta stieß ihn mit der Schulter an, doch Crydeol blickte nur besorgt in sein Gesicht. „Wenn es eurem Bruder nicht gut gehen würde, dann hättet ihr es schon längst erfahren.“
„Dessen bin ich mir nicht so sicher. Als ich Nomys das letzte Mal gesehen habe, sind wir im Streit auseinandergegangen, weil ich ihn davon abhalten wollte in meine Fußstapfen zu treten.“
Jesta sah ihn erstaunt an.
„Wenn das Gesetz schon seinen beiden Brüdern eine Familie mit Frau und Kind verbietet, so wollte ich wenigstens, dass er den letzten Wunsch unseres Vaters erfüllt und heiratet“, sagte Crydeol traurig und hob zwei weitere Steine auf.
„Aber eurem Bruder sollte sein eigener Wunsch nicht verwehrt bleiben“, sagte Jesta und Crydeol nickte zweifelnd.
„Mag sein. Aber ich wollte damals einfach nicht, dass ihn dasselbe Schicksal ereilt wie Sariol und mir. Immer nur für die Armee und den Rat zu leben“, erwiderte er und warf die beiden Steine mit seiner ganzen Kraft den Wellen entgegen.
„Aber was ist so falsch daran?“
„Eigentlich ist nichts falsch daran. Aber wenn man, wie ich, sein Leben vollkommen in den Dienst der Armee stellt, bleibt man oft selbst auf der Strecke. Das Leben von einem selber wird dadurch einfach eingeschränkt.“
Jesta überlegte kurz, ob er die Worte aussprechen sollte, die ihm auf der Zunge lagen, dann sah er in Crydeols Augen und fragte: „Bereut ihr es, dass ihr ein General Vaskanias geworden seid?“
Crydeol blickte zu Boden. „Ab und zu schon. Es gibt immer Momente, an denen man an sich selbst zweifelt.“
„Ist es ein solcher Moment, wenn ihr Inoel gegenübersteht?“,
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