Andy und Ryan
ihm auch dankbar für alles. Manchmal rettete er mich wirklich vor dem Zusammenbrechen.
››OK‹‹, erwiderte ich schlicht und lehnte mich gegen seine Schulter. Wie von selbst schlang er seine Arme um mich und zog mich in eine warme und beruhigende Umarmung, welche wir erst wieder lösten als Mia in mein Zimmer trat.
››Das Taxi ist da. Habt ihr alles eingepackt?‹‹ Stumm nickte ich und löste mich langsam von Ryan. Es fiel mir schwer und ich fühlte sofort eine aufsteigende Leere in mir. Seine Nähe war für mich schon fast wie eine Droge. Es war vollkommen verrückt. Ich schob es gerne auf die vielen Medikamente, welche ich zur Schmerzlinderung und Beruhigung bekam, auch wenn ich wusste dass es ziemlicher Quatsch war.
Schnaufend erhob ich mich von meinem Bett und griff nach seiner Hand. Komplett schaffte ich es einfach nicht auf seine Nähe zu verzichten. Ich war immerhin auch nur ein Mensch… und dazu noch ein Mädchen in der Pubertät.
Zusammen liefen wir drei durch das riesige Krankenhaus und steuerten auf den Ausgang zu. Es war komisch an all den kranken und verletzten Menschen vorbei zu gehen. Viele von ihnen würden wahrscheinlich nie wieder aus diesem Krankenhaus herauskommen. Und ich konnte mich glücklich schätzen, dass ich es geschafft hatte. Aber warum war ich dann nicht glücklich?
Die vielen Menschen taten mir leid und es gab nichts was ich für sie tun konnte. Ich fühlte mich schlecht, dass es mir gut ging und ihnen nicht. Warum war das so? Das Leben war so unfair. Warum starben Menschen wie meine Mutter? Womit hatten sie es verdient? Meine Mutter war eine liebenswerte und gütige Person gewesen. Sie hatte sich immer für andere Menschen eingesetzt und ihnen geholfen wo sie nur konnte, obwohl wir selber kaum Geld hatten. Sie hatte Bilder für gute Zwecke gemalt und Obdachlosen auf der Straße jedes Mal mindestens einen Euro geschenkt. Sie war der großzügigste und warmherzigste Mensch den ich je kennengelernt hatte. Wie konnte es sein das solche Menschen viel zu früh aus ihrem Leben gerissen wurden? Das war einfach nicht fair. Ich war bei weitem nicht so ein guter Mensch wie sie und ich hatte überlebt. Wo blieb nur die Gerechtigkeit?
Zitternd klammerte ich mich an Ryans Arm, während wir durch die langen Gänge wanderten, und ich atmete erst erleichtert aus, als wir im Taxi saßen und ich die vielen leidenden Menschen nicht mehr sehen und hören musste. Ryan schlang seinen Arm um meine bebenden Schultern und zog mich an sich. Er sagte nichts. Er fragte nicht was los war. Er kannte mich gut genug um zu wissen, dass ich diese Frage auch nicht hören wollte. Ich dankte ihm stumm, indem ich meinen Kopf seufzend an seine Brust lehnte und die Augen schloss. Mia saß stumm auf ihrem Platz und blickte gedankenverloren aus dem Fenster. Ich hatte es akzeptiert, dass diese Frau mein neuer Vormund war. Sie schien wirklich okay zu sein und ich wollte ihr das Leben nicht unnötig noch schwerer machen. Immerhin musste sie sich um das Kind ihrer verstorbenen besten Freundin kümmern. Wer tat das schon gerne?
Richtig, niemand!
Trotzdem konnte und wollte ich sie einfach nicht an mich ran lassen. Ich wollte keinen Mutterersatz. Ich brauchte auch keinen. Ich war in all den Jahren meistens die Mutter im Haus gewesen. Ich hatte gekocht, das Haus geputzt, die Wäsche gemacht und dafür gesorgt dass meine Mum nie zu spät zur Arbeit gekommen war. Ich kam ganz gut allein klar. Doch ich war noch 17 und durfte es gesetzlich nicht. Naja in einer Woche war ich endlich 18 und dann brauchte ich keinen Vormund mehr. Mia konnte wieder zurück zu ihrem Mann oder Freund oder ihrer Familie oder was auch immer… Ich kannte sie nicht und ich wollte sie auch nicht kennenlernen. Sie war die Freundin meiner Mutter. Sie konnte nicht auch noch meine werden. Ich hatte auch allein genügend Erinnerungen an sie. Ich wusste, dass ich mich hart und unfair verhielt, aber ich konnte es einfach nicht ändern.
Das Taxi hielt nach einer Weile an und wir stiegen aus. Mein Magen zog sich schmerzhaft zusammen, als mir bewusst wurde wo ich genau stand.
Direkt in meiner kleinen Bucht.
Erinnerungen kamen augenblicklich hoch und ich konnte es einfach nicht aufhalten.
Mum und ich lagen im Sand und bauten lachend eine Sandburg. Wir hatten dabei riesig viel Spaß und es scherte uns kein bisschen, dass es eigentlich eine Kinderbeschäftigung war. Dann sah ich Mum und mich im Wasser planschen. Sie drückte mich laut kichernd unter
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