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Anemonen im Wind - Roman

Anemonen im Wind - Roman

Titel: Anemonen im Wind - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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sein, wenn Aurelia ihren Jack heiratete. Ihre Beziehung war jahrelang der Gegenstand von Spekulationen und Klatsch gewesen, und niemand wollte sich diese Gelegenheit entgehen lassen – zumal der Krieg nun vorüber war und schon der geringste Vorwand genügte, um ein Fest zu feiern. Die bunten Kleider und frivolen Hüte der Frauenwetteiferten mit den dunklen Anzügen der Männer, und der Lärmpegel im Festsaal über der Hotelbar stieg zusehends. Gesichter röteten sich, Kragen wurden aufgeknöpft, Krawatten und Jacketts landeten auf Stuhllehnen, und das ernsthafte Geschäft des Trinkens nahm seinen Lauf.
    Alicia beobachtete, wie die Männer zur Bar spazierten und sich an die Theke lehnten. Sie plauderten über Rinder, Schafe und ihre Kriegserlebnisse, und sie verglichen die verschiedenen Sorten Bier, die sie in Übersee gekostet hatten. Die verheirateten Frauen saßen zusammen an Tischen und tratschten, unter den Hutkrempen huschten ihre Augen hin und her, damit ihnen nur ja nichts entging. Die jüngeren Frauen standen kichernd in Grüppchen in den hinteren Ecken des Raumes und warfen den Männern an der Bar kokette Blicke zu, während sie darauf warteten, dass die Kapelle anfing zu spielen.
    »Dachte mir, du möchtest vielleicht noch einen Schluck.« Mickey stellte vorsichtig ein Glas Champagner auf den Tisch. Seine Hand zitterte seit dem letzten Malaria-Anfall, und er schnalzte verärgert mit der Zunge, als ein wenig Champagner auf das weiße Tischtuch schwappte.
    Sie sah lächelnd zu ihm auf. »Danke«, sagte sie mit sorgfältig bemessener Freundlichkeit.
    Er blieb neben ihr stehen, verlegen und unbeholfen in seinem Anzug und dem engen Hemdkragen. Aber er schien nicht gehen zu wollen, und Alicia verspürte eine leichte Gereiztheit. Es war ihr ein Gräuel, so auf Schritt und Tritt verfolgt zu werden, und Mickey benahm sich wie ein seelenvolles Hündchen, seit er aus dem Krieg zurückgekehrt war. Sie hatte gehofft, längst weg zu sein – zurück in England –, aber Aurelias Hochzeit hatte es vereitelt.
    Die Kapelle spielte sich warm und stimmte mit dissonantem Krächzen und Klimpern ihre Instrumente. Alicia sah, dass die Mädchen sich aus den Ecken hervorwagten. Die jüngeren Männer lehnten mit Biergläsern in der Hand am Tresen und musterten die jungen Frauen wie Preiskühe, die aus der Herde ausgesondert werden mussten. Seufzend nahm Alicia einen Schluck von ihrem lauwarmen Champagner. Sie war beinahe froh, dass sie nicht mehr jung war.
    »Möchtest du tanzen?«, fragte Mickey. »Bin vielleicht ein bisschen eingerostet, aber probieren würde ich’s schon.«
    »Lieber nicht«, rief sie durch den Lärm. »Viel zu viel Gedränge.«
    Er schaute sie seelenvoll an und ging dann davon. Sie sah, wie er zu den anderen Männern trat und ein Bier bestellte. Die verheerenden Folgen der Malaria hatten in seinem Gesicht Spuren hinterlassen, und die Ärzte hatten ihm gesagt, dass er die Krankheit immer in sich tragen und dass sie häufig wiederkehren würde. Armer Mickey!, dachte Alicia unbestimmt.
    Sie stellte das Glas ab und zündete sich eine Zigarette an. Die jungen Leute betraten die Tanzfläche. Charlie und Ellie gesellten sich zu den anderen und begannen einen neumodischen Tanz namens Jive, den die Yankees eingeführt hatten und der, soweit sie es beurteilen konnte, nichts als Unheil brachte. Petticoats und Strumpfbänder wurden damit zur Schau gestellt, dabei waren die Männer ohnedies schon zu erregt und brauchten keine weitere Ermunterung. Über allem lag ein Hauch von Verzweiflung. Es war, als hätten diese Kinder die verlorenen Jahre ihrer Jugend wettzumachen – als könnten sie durch heftiges Trinken und lautes Gelächter die Bilder und den Lärm der Schlacht bannen, mit denen sie so lange gelebt hatten. Den Mädchen ging es nicht anders als den Jungen. Sie waren zurückgeblieben und hatten das Land und das Vieh versorgen müssen – ohne Partys, Liebeleien und all das, was zur Jugend gehörte. Verzweifelt dachte Alicia an die Konsequenzen.
    »Sie amüsieren sich doch nur.« Keuchend ließ Aurelia sich neben ihr auf einen Stuhl fallen. »Ich würde mir keine allzu großen Sorgen machen.« Sie fächelte sich mit einem Taschentuch Kühlung zu und nahm einen großen Schluck Champagner.
    Alicia zog eine Grimasse. »Ich wünschte, er würde weiterziehen. Ellie hängt mir zu sehr an ihm. Und nachdem Wang Lee uns berichtet hat, dass er heimlich am Safe gewesen ist, würde ich ihm nicht weiter trauen, als ich ihn

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