Anemonen im Wind - Roman
sagte er mit Entschlossenheit. »Ich möchte, dass du nach Jarrah kommst und dort als meine Frau lebst.«
Alicia erstarrte. Sie hatte es kommen sehen. Hatte sich darauf gefasst gemacht, seit er aus dem Militärlazarett gekommen war. Es war an der Zeit, dass sie ihm endlich reinen Wein einschenkte.
»Ich …«, begann sie.
»Du brauchst mir nicht sofort zu antworten, Alicia«, sagte er mit einem verzweifelten Unterton. »Überleg’s dir einfach. Wir haben jetzt alle Zeit der Welt, nachdem der Krieg zu Ende ist.«
Alicia schaute ihm ins Gesicht. Seine Haut war dunkel von der Sonne, und die grauen Strähnen in seinem kohlschwarzen Haar waren zahlreicher geworden. Er war zu mager, aber er sah immer noch gut aus. Dennoch war sie nicht bereit, ihr Leben einem Invaliden zu opfern – nicht, wenn sie ihn nicht liebte. »Ich kann dich nicht heiraten, Mickey«, sagte sie fest. »Ich fahre bald nach England.«
»Aber du kommst doch zurück. Nicht wahr?« Seine Augen waren plötzlich angstvoll und die Hände, die nun ihre Finger umklammerten, kalt.
Sie löste sich von ihm und rückte zur Seite. »Ich gehöre nicht ins Outback. Ich habe keine besonderen Gefühle für Australien. Es war eine Erfahrung, mit Aurelia und Ellie zu arbeiten, eine Art Abenteuer von mir aus – aber eines, das ich nicht weiter in die Länge ziehen will.«
Mickey sackte auf der Picknickbank in sich zusammen, und seine Hände baumelten zwischen den Knien.
Alicia zwang sich, seine offenkundige Not zu übersehen, und ließ sich nicht irre machen. Er musste einsehen, dass sie hart bleiben würde. »Ich kann nicht den Rest meines Lebens hier verbringen«, sagte sie und bändigte ihren Unmut nur mühsam. »Dieses weite Land bedrängt mich. Ich brauche die Lichter der Großstadt und das Getriebe von Menschen, die denken wie ich.«
Er hob den Kopf und sah sie an. »Wir können jederzeit nach England fahren und dort lange Urlaub machen«, sagte er hoffnungsvoll. »Geld genug habe ich.«
Alicia stand auf und klopfte sich den Staub von ihrem Kostüm aus Shantung-Seide. »Das würde nicht funktionieren«, sagte sie brüsk. Sie hatte allmählich genug davon und wollte zurück zur Party. Sie brauchte einen Drink.
»Und wenn ich Jarrah verkaufe und wir nach England übersiedeln?« In seinem Gesicht leuchtete die Hoffnung. Er stand auf und griff nach ihren Händen. »Würdest du mich dann heiraten?«
Alicia riss sich los. »Nein«, sagte sie in scharfem Ton.
Die Farbe wich aus seinem Gesicht, Schweißperlen traten auf seine Stirn. Das Fieber kehrte zurück, und er sah elend aus. »Ich kann also nichts sagen oder tun, was dich umstimmen könnte?« Er war geschlagen.
»Nichts.« Sie wandte sich ab und ging zurück zum Hotel. Siewusste, dass er dastand und ihr nachschaute, und sie empfand ein bohrendes Unbehagen über die gefühllose Art, mit der sie ihn abgewiesen hatte. Sie hob das Kinn und stieg die Verandastufen hinauf. Ihr Leben würde sich zum Besseren wenden, und sie konnte es kaum erwarten, wieder britischen Boden unter den Füßen zu haben und unter Menschen zu sein, die sie verstand. Sie wollte das Leben, das sie aufgegeben hatte, wieder aufnehmen. Mickey würde schon darüber hinwegkommen.
Aurelia hatte gut gegessen, und trotz des nachmittäglichen Nickerchens war sie müde. Jetzt ließ sie sich in die Kissen sinken, starrte durch das Fenster zum Mond und dachte an ihren Hochzeitstag. Sie hatte Verständnis dafür, dass es ihrer Schwester widerstrebt hatte, Mickey zu heiraten, aber wie die Dinge lagen, wäre es eine kurze Ehe geworden. Mickey war nur ein paar Wochen später gestorben. Sein von unablässigen Malaria-Anfällen geschwächtes Herz hatte schließlich aufgegeben.
Sie schloss die Augen und tat einen bebenden Seufzer. Tränen tropften von ihren Wimpern. Mickey war ein naher, lieber Freund gewesen, und sie vermisste seine raue Herzlichkeit. Aber er hatte kaum ahnen können, welche verheerenden Folgen seine guten Absichten später haben sollten. Und es hätte ihn zu Tode bestürzt, hätte er gewusst, dass sie noch immer den Wirbelsturm ernteten, den er in jenen letzten Tagen seines Lebens gesät hatte.
Ellie wartete auf Leannes und Angels Rückkehr vom Rinderpferch. Sie hatte sich in einen frivolen Roman vertieft, den sie im Bücherregal gefunden hatte. Sie war schockiert, wie derb manche Szenen darin waren, und fragte sich, ob das Leben in Amerika wirklich so war – oder ob das alles nur ein Produkt der überhitzten Fantasie der
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