Anemonen im Wind - Roman
verstummen. »Rede nicht so herablassend mit mir, du Kuh! Du bist nicht die Einzige in der Familie, die etwas im Kopf hat.«
Die spitze Bemerkung ließ Claire zusammenzucken, und sie sah, dass Genugtuung im Blick ihrer Schwester aufblitzte. Ihr wurde klar, dass es in dieser Schlacht keine Regeln gab; Leanne wollte ihr wehtun, wollte allen zeigen, wie entschlossen sie war und dass sie ihr Ziel skrupellos verfolgen würde.
Leanne strich die Pläne glatt. »Ferien auf der Farm sind beliebt bei den Großstädtern. Sie wollen die Romantik und das Abenteuer des Outback erleben – aber sie möchten es auf komfortable Weise tun. Die Cottages werden mit dem neuesten Luxus ausgestattet sein; ein Swimmingpool und Freizeitraum werden Unterhaltung bieten, sollte das Wetter uns im Stich lassen.«
Sie schaute von den liebevoll gezeichneten Plänen auf, und unvergossene Tränen blinkten in ihren Augen. »Die Leute werden aus der Großstadt kommen und Viehtreiber spielen. Sie werden über die Ebene reiten und beim Auftrieb helfen können. Oder sie fahren mit Jacky Jacks Enkel ins Never-Never und erfahren alles über die Traumzeit. Sie können am offenen Feuer Tee im Blechkessel kochen, Brot backen, den Legenden der Aborigines lauschen und anschließend unter den Sternen schlafen. Wir können Ausflüge an die Nordküste und Jeep-Safaris ins Territory organisieren. In den Flüssen und Seen kann man angeln und Boot fahren. Es gibt Buschwanderwege und Naturlehrpfade. Sie können einen Eindruck vom Leben hier draußen gewinnen, und wenn ich den Betrieb erst in Gang gebracht habe, wird die Idee weiter wachsen, da bin ich sicher.« Trotzig starrte sie ihren verblüfft schweigenden Mann an und wandte sich dann wieder ihrer Mutter und ihrer Schwester zu. Nach einer Atempause fuhr sie fort. »Die Finanzierung ist bereits gesichert. Ein Reiseunternehmen in Brisbane hat sein Interesse bekundet.«
Claire starrte auf die Pläne, während ihre Schwester redete. Es war eine wunderbare Idee, auf die sie niemals gekommen wäre, aber die schockierende Neuigkeit über die Eigentumsverhältnisse von Jarrah machte sie zunichte. Sie schaute ihre Mutter an. Ellie war sehr bleich, die Augen lagen tief verschattet in ihrem kleinen Gesicht. »Ich will Jarrah nicht«, sagte sie noch einmal. »Bitte, Mum. Übergib die Farm Leanne.«
Ellie trat vom Tisch zurück, die Arme fest um die Taille geschlungen. »Ich habe doch gesagt, dass ich das nicht kann«,erklärte sie mit zitternder Stimme. »Jarrah wurde dir treuhänderisch vermacht – und dann deinen Kindern.«
Claire fuhr entsetzt zurück. »Wie um alles in der Welt seid du und Dad auf diese verrückte Idee gekommen?« Sie merkte, dass sie laut geworden war, und zügelte sich nur mit Mühe. »Ihr habt nicht nur Leanne dazu gebracht, mich noch mehr zu hassen, als sie es sowieso schon getan hat, sondern ihr habt mich und meine ungeborenen Kinder an diesen Ort gekettet. Woher wusstet ihr denn, dass einer von uns das will? Und wieso habt ihr Leanne in dem Glauben gelassen, Jarrah gehöre ihr, wenn ihr die ganze Zeit wusstet, dass es nicht sein kann?«
Ellie sank auf das Sofa und schlug die Hände vors Gesicht. »Ich war einverstanden damit, dass Leanne Jarrah leitet, aber ich habe nie versprochen, ihr die Farm zu überlassen. Ich dachte, ihr wäre klar, dass es ihr helfen würde, eine eigene Farm zu gründen, wenn sie den Betrieb erlernt hätte.« Sie schluchzte. »Woher sollte ich wissen, dass sie das alles plant? Sie hat davon nie etwas gesagt.«
»Anscheinend wird in dieser Familie zu wenig miteinander gesprochen, und es fehlt an gesundem Menschenverstand«, stellte Claire seufzend fest. »Könnt ihr dieses alberne Treuhandvermächtnis nicht ändern? Jarrah ist all diesen Ärger nicht wert.«
Leanne sog scharf die Luft zwischen den Zähnen ein, aber die Stimme ihrer Mutter kam ihr zuvor. »Ich habe nichts damit zu tun. Dein Dad und ich haben erst, als du drei Jahre alt warst, erfahren, was er getan hatte, und da hatten wir keinen Einfluss mehr darauf. Wir können nichts daran ändern.«
Eine Vorahnung trieb Claire kalte Schauder über den Rücken. Ob an den Gerüchten etwas Wahres war? War es möglich, dass ihre Mutter sie neulich belogen hatte? »Er?«, flüsterte sie. »Wer ist ›er‹?«
Gespannte Stille erfüllte den Raum.
»Wie ich sehe, komme ich gerade zur rechten Zeit«, dröhnte Aurelia in der Tür. »Drinks für alle, Angel. Sieht aus, als könntet ihr alle einen gebrauchen.«
Ellie
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