Anemonen im Wind - Roman
Abwechslung einmal still, weil die meisten Männer wie jedes Jahr draußen beim gemeinsamen Viehauftrieb mit Warratah waren. Leanne wäre mitgegangen, aber ihre Lieblingsstute war trächtig, und sie konnte nicht riskieren, sie allein zu lassen.
Sie brachte den Sattel in die Sattelkammer, holte eine Möhre aus dem Futterlager und ging zum Stall. Bonny war von der Koppel hereingebracht worden und stand in der größten Box; sie fraß ohne Unterlass und wurde jeden Tag dicker. »Wie geht’s meinem Mädchen denn heute?« Sie zog die Handschuhe aus und streichelte den staubigen Hals.
Bonny kräuselte die Oberlippe und prustete, bevor sie den Kopf senkte und nach der Leckerei suchte, die Leanne immer in der Tasche hatte.
Leanne schüttelte die dunklen Locken zurück und hielt dem Pferd lachend die Karotte entgegen. »Ich weiß, was du meinst. Das Leben ist niederträchtig, nicht wahr? Aber mach dir nichts draus, Mädchen. Du hast deine Figur bald wieder.« Sie schob die Stute beiseite, sah nach Wassereimer und Futtersack und ließ das Tier dann allein. Bis das Fohlen kam, war nicht viel zu tun,und sie wollte die Buchführung abschließen, ehe Dad und die anderen zurückkämen.
Die Sonne stand hoch am Himmel, und die Gallahs zankten in den Gummibäumen, als sie den Hof überquerte und die Stufen zur Veranda hinaufstieg. Es war still, wenn die Männer nicht da waren, aber sie hörte immer noch den Schlag einer Axt und den Klang eines Hammers in der Schmiede. Das Kochhaus lag verlassen da, die Schlafbaracke ebenfalls, doch in den Hütten der Aborigines am Westrand der Weide brummte immer noch das Leben. Kinder spielten dort Fußball, Hunde bellten, und wie immer stieg der Rauch ihres Feuers in den Himmel.
Die Farm von Jarrah war prächtiger als die, die Dad in Warratah angelegt hatte. Die ursprünglichen Besitzer hatten keine Kosten gescheut, als sie blaue Steine aus dem fernen Sydney herauftransportiert hatten, um sie zu errichten. Durch das pfannengedeckte Dach und die Fliegengitter an der Veranda war es im Sommer kühl und in der nassen Jahreszeit regensicher, und an kalten Winterabenden konnte sie sich behaglich mit Angel vor dem Feuer zusammenkuscheln, das im Wohnzimmer in dem riesigen Steinkamin prasselte.
Leanne zog das verschwitzte Hemd aus dem Hosenbund ihrer Jeans, als sie in das kühle Zwielicht des Wohnzimmers trat, und seufzte zufrieden. Sie liebte diesen Raum mit seinen Regalen voller Bücher und Trophäen. Die Deckenbalken waren dunkel vom Rauch des Kamins, der Boden blank gebohnert. In den dicken Sesseln versank man: Sie waren gerade richtig, wenn man sich nach des Tages harter Arbeit einfach fallen lassen wollte. Durch die vorderen Fenster blickte man hinaus auf den Farmhof, hinter dem sich meilenweit grüne Wiesen und kieferbestandene Hügel erstreckten. Das Haus hatte einen Generator zur Stromerzeugung, aber lieber zündeten sie abends die Öllampen an; ihr Licht war weicher und romantischer als die helle Deckenbeleuchtung.
Leanne fuhr sich mit den Fingern durch die kurzen dunklen Locken und dachte an die Pläne, die sie für Jarrah hatte. Denn eines Tages würde das Anwesen ihr gehören, dessen war sie sicher. Warum sonst hätten Mum und Dad ihr erlauben sollen, diesen Betrieb unter Aufsicht zu leiten? Lächelnd streifte sie die staubigen Stiefel ab und warf sie in die Ecke. Sie war vielleicht keine Akademikerin wie Claire und auch nicht so attraktiv, aber ihr Ehrgeiz reichte für sie beide, und die Pläne, die sie hatte, würden ein für alle Mal beweisen, dass man kein abgehobenes Examen brauchte, um etwas zu erreichen.
Die alte Eifersucht stieg Leanne bitter in die Kehle. Groß und schlank, mit der Figur eines Models, gelang es Claire, auf allen Gebieten gut auszusehen. Sie war durch die Prüfungen in Mathematik und Naturwissenschaften geschwebt, als wäre das alles ein Kinderspiel. Aber auch wenn Leanne den Verdacht hegte, dass Claire trotz der jüngsten Verstimmungen Mums und Dads Liebling war, hatte sie sich damit abgefunden, und sie wusste, dass ihre, Leannes, Zukunft hier in dieser roten Erde und in ihren Plänen mit Angel lag.
Leanne tappte in die Küche, wusch sich Gesicht und Hände und machte sich ein Sandwich mit Hammelfleisch und eine Tasse Tee, bevor sie damit in ihr Zimmer ging. Das Haus war gebaut wie das von Warratah; es hatte eine quadratische Diele, an die alle anderen Zimmer grenzten. Ihr Zimmer lag an der Nordseite, sodass es im Sommer kühl war. Die Musselingardinen
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