Anemonen im Wind - Roman
geschrieben hatte. Der Brief war in höflich-distanziertem Ton gehalten, und ihre Einstellung zu der erzwungenen Heimkehr wirkte reif und geradlinig – auf eine Weise, die ahnen ließ, dass ihnen allen Ärger bevorstand.
Ellie setzte sich auf den alten Küchenstuhl und starrte den geschwärzten Balken über dem neuen Herd an. »Was zum Teufel soll ich nur tun?«, murmelte sie. Sie wusste nicht, wie lange sie so dagesessen hatte, aber als das milde Läuten der Standuhr in der Diele sie in die Gegenwart zurückrief, wusste sie, dass sie allein nicht damit fertig werden würde. Sie musste zum Haupthaus gehen und mit Aurelia sprechen.
Nachdem Ellie geduscht und ein Baumwollkleid angezogen hatte, bürstete sie sich das dichte braune Haar und ließ es lose auf die Schultern fallen. Bald werde ich anfangen müssen, es zu färben, dachte sie, als sie schon wieder ein graues Haar entdeckte. Aber zum Teufel damit! Es gab weit wichtigere Dinge zu bedenken als ein graues Haar und den nächsten Geburtstag. Trotziglegte sie ein bisschen roten Lippenstift auf, betupfte sich mit einem Hauch von Parfüm, nahm ihre Tasche und schlüpfte in ihre Sandalen. Dann setzte sie ihre Sonnenbrille und einen Hut mit weicher Krempe auf und lief die Stufen hinunter auf den Hof.
Sie sagte dem Schlosser, was sie vorhatte, fuhr den Allradwagen hinter dem Werkzeugschuppen hervor und vergewisserte sich, dass genug Benzin im Tank war. Dann rollte sie auf das erste der fünf Tore zu, die zwischen den Farmhäusern von Jarrah und Warratah lagen. Aurelia hatte diese Heimkehr angestiftet, und da war es nur fair, dass sie auch einen Teil der Last übernahm. Und es wäre nicht das erste Mal, dass sie Ellie aus der Klemme half.
Die kleine Ellie fand sich im Leben auf Warratah nicht zurecht, denn trotz des warmherzigen Empfangs, den Aurelia ihr bereitet hatte, und trotz der aufblühenden Freundschaft mit den beiden Jungen fühlte sie sich in der Gesellschaft ihrer Mutter nach wie vor unbehaglich. Aurelia war von überwältigender Herzlichkeit und die Güte selbst gewesen, trotz ihrer barschen Art. Im Handumdrehen hatte sie ihre jüngere Schwester aus dem einzigen freien Zimmer geworfen und es für Ellie anheimelnd hergerichtet. Es gab für Ellie nur zwei Möglichkeiten, ihrer Mutter aus dem Weg zu gehen: Sie konnte sich in diesem Zimmer verkriechen oder ihre Zeit mit Charlie und Joe draußen auf den Weiden verbringen, wo sie Zäune flickten oder Tierkadaver aus den Billabongs fischten. Meistens entschied sie sich für die zweite. Aber in der Trockenzeit waren viele von Aurelias Rindern umgekommen, und der Anblick der Krähen, die flatternd an den Kadavern herumhackten, bereitete ihr Übelkeit. Allzu oft hatte sie Albträume deshalb, denn die Erinnerung an die Krähen, die über ihrem Vater gekreist waren, war immer noch frisch.
Am Abend zuvor war Ellie von ihrem letzten Ausflug mit den Jungen zurückgekommen, und jetzt saß sie auf ihrer Patchwork-Steppdecke, lehnte am Kopfende des Bettes und betrachtete die Messingstangen. Es ist einfach zu viel, womit ich mich abplagen muss, dachte sie müde. Sie hatte alle Fragen beantwortet, mit denen Alicia sie bombardiert hatte, sie hatte ihr ganzes theatralisches Gehabe ertragen und war für ihren Dad eingetreten, als die Nörgeleien zu viel wurden. Nach den Albträumen, die sie nach den langen Tagen im Sattel plagten, und den endlosen Streitereien war sie jetzt erschöpft.
Sie hatte wenig Zeit gehabt, Dad zu betrauern, und noch weniger, um alles zu registrieren, was geschehen war, nachdem Alicia sie damals in Sydney im Stich gelassen hatte. Es war, als habe die Zeit alle Bedeutung verloren, als seien die letzten paar Jahre nur Augenblicke gewesen, die sie geträumt hatte, verloren in der endlosen Leere zermürbender Armut und in den ungezählten Meilen, die sie zurückgelegt hatte, um zu diesem Ort zu gelangen.
Sie trat an das Fenster und kletterte auf das breite Sims, das Aurelia mit dicken, weichen Kissen bedeckt hatte. Von dort hatte sie einen vorzüglichen Blick auf den Hof, und sie sah, wie die Jungen aus der Schlafbaracke kamen und mit anderen Männern plaudernd zum Kochhaus spazierten. Rauch stieg aus dem Kamin, und sie wusste, dass bald der Lärm von Stiefelabsätzen, klapperndem Geschirr und Männerstimmen von den Deckenbalken widerhallen würde. Der erdige Geruch von Pferden und Rindern würde sich mit dem Schwindel erregenden Duft brutzelnder Steaks und Eier mischen. Und die Fenster würden durch die
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