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Anemonen im Wind - Roman

Anemonen im Wind - Roman

Titel: Anemonen im Wind - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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Hitze und dem Staub, der durch das offene Wagenfenster hereinwehte, hatten sie keine Chance gehabt. Sie durchsuchte die Taschen hinter ihrem Sitz und zog einen langen indischen Baumwollrock hervor, eine violette und lavendelblaueBatik, die besser wirkte, wenn sie knautschig war. Dank des elastischen Bunds konnte sie ihn mühelos überziehen und dann die Shorts abstreifen, ohne im Schlüpfer dazustehen. Sie warf einen Blick hinüber zu dem langen, flachen Gebäude und sah, dass jemand zu einem Fenster herausspähte. Das Hemd würde genügen müssen. Sie hatte nicht vor, der ganzen Welt zu zeigen, was sie hatte, auch wenn es nicht viel war.
    Das Hotel Gregory Downs hockte gedrungen auf roter Erde unter einem Baldachin von schattigen Bäumen. Das Dach war rostrot, das Holzwerk dunkel von Alter und Verwitterung. Eine Veranda zog sich an der Vorderseite entlang, wie üblich von einer schrägen Verlängerung des Daches überschattet. Das Gebäude hatte sich wahrscheinlich seit dem neunzehnten Jahrhundert, als es eine Relaisstation für Cobb & Co. gewesen war, nicht nennenswert verändert. Sie dürften hier daran gewöhnt sein, dass man mitgenommen aussieht, dachte Claire. Dies war kein elegantes Großstadthotel, in dem man aufgetakelt erscheinen musste, wenn man eingelassen werden wollte.
    Sie nahm ihre Tasche, stieg aus dem Wagen und schlug die Tür zu. Selbst im getüpfelten Schatten der blühenden Rotgummibäume war es glutheiß, und das Schwatzen der Gallahs klang gedämpft, als ob auch sie allmählich ermatteten. Die Sonne blitzte im Seitenspiegel des Geländewagens, und sie sah die dicke rote Lehmkruste an den Reifen und den Werkzeugtaschen auf der Ladefläche. Offenbar ein Einheimischer, dachte sie beiläufig.
    Sie warf sich die Tasche über die Schulter und flocht sich rasch das Haar, sodass es ihr in einem einzelnen Strang über die Schulter bis auf die Taille fiel. Es war kühler, wenn es nicht mehr auf ihrem Nacken lastete, und nachdem sie es noch mit einem Band zusammengebunden hatte, fühlte sie sich halbwegs präsentabel. Sie überquerte den Parkplatz, stieg die Stufen zur Veranda hinauf und stieß die Fliegentür auf.
    Der Duft von frischem Kaffee schlug ihr entgegen, als sie denKaufladen betrat, der den größten Teil des Empfangsbereichs in Anspruch nahm. Das Frühstück im Hotel in Cloncurry hatte sie an diesem Morgen ausgelassen, und plötzlich verspürte sie großen Hunger.
    Die dicke Frau hinter der Theke war im mittleren Alter. Ihre großzügigen Rundungen waren in ein gemustertes Baumwollkleid gesperrt, dessen Knöpfe an der Vorderseite kurz davor waren, den Kampf um die Schicklichkeit zu verlieren. »Tag, Schätzchen«, sagte sie fröhlich, und braune Augen fixierten Claire mit freundlicher Neugier. »Von weit her?«
    »Aus Sydney«, sagte Claire, ohne nachzudenken.
    »Du liebe Güte, das ist ein weiter Weg!« Sie betrachtete das lange Kleid, den Zopf und die goldenen Ohrringe. »Eins von diesen Hippie-Mädchen, ja? Wenn du nach Woodstock willst, hast du dich aber verfahren.« Ihr Blick war freundlich, aber unverhohlen neugierig. Sie verschränkte die molligen Arme unter dem ausladenden Busen und schickte sich an, ein langes Schwätzchen zu halten.
    Claire wusste, dass sie einen Fehler gemacht hatte, als sie so herausgeplatzt war, aber sie war zu lange weg gewesen und hatte vergessen, wie es hier draußen zuging. Jetzt würde man sie in eine endlose Befragung verwickeln, denn Besucher kamen sicher nur selten hierher. Die Leute im Outback liebten nichts so sehr wie einen ordentlichen Tratsch. »Der Kaffee riecht gut«, sagte sie hastig. »Gibt’s vielleicht Frühstück?«
    Der Gesichtsausdruck wechselte zu überraschtem Entzücken. »Ich weiß, wer du bist.« Die Frau schnippte mit den Fingern. »Du bist Ellies Tochter – die zur Universität gegangen ist.« Die Knöpfe wurden weiterer Spannung ausgesetzt, als sie sich hinter der Theke hervor zwängte. »Heiße übrigens Lila. Nett, dich kennen zu lernen.«
    Claire gab die Hoffnung auf ein Frühstück in der nächsten halben Stunde vollends auf. So dicht vor zu Hause hatte sie damit rechnen müssen, aber jetzt wollte sie eigentlich nur etwas in den Magen bekommen und sich auf die Heimkehr vorbereiten. Sie musste sich wohl wieder daran gewöhnen, wie es hier zuging. Musste daran denken, dass das Tempo hier langsamer war als in Sydney und dass die Leute sich Zeit nahmen für belanglose Plaudereien. »Claire«, sagte sie lächelnd. »Und mit der

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