Anemonen im Wind - Roman
Zuneigung zu ihr so stark war.
Sie klapperte mit dem Porzellan und reichte ihm seine Tasse. Als er keine Anstalten machte, sie anzunehmen, stellte sie sie zwischen ihnen auf den Tisch. »Ich hatte ja keine Ahnung«, fing sie an. Dann stand sie auf, reckte die Schultern und schaute ihm ins Gesicht. »Meine Gefühle für dich sind tiefer, als ich es für möglich gehalten hätte«, sagte sie hastig. »Aber dies ist nicht die Zeit, sie außer Kontrolle geraten zu lassen und uns kopfüber in eine Sache zu stürzen, die wir vielleicht beide bereuen könnten. Es ist Krieg. Wir müssen vernünftig bleiben.«
Jack wollte sie unterbrechen, aber sie redete über seine Einwände hinweg. »Ich kenne dich besser, als du glaubst, Jack Withers«, erklärte sie streng. »Wenn du erst diese verdammte Uniform anhast, wirst du mit den Hufen scharren und es nicht erwarten können, an richtigen Kämpfen teilzunehmen. Und ich weigere mich, mein Leben damit zu verbringen, auf das gefürchtete Telegramm zu warten. Ich habe schon genug Probleme damit, Warratah in Gang zu halten, ohne dass ich mir auch noch um dich Sorgen machen muss.« Ihre Brust hob und senkte sich, und wütend wischte sie sich die Tränen weg. »Ich habe schon einen Mann verloren«, sagte sie tonlos. »Ich glaube, ich könnte es nicht ertragen, noch einen zu verlieren.«
Diese Worte schienen Jack zu ermutigen, und ehe sie sich versah, war er vom Tisch aufgestanden und umarmte sie. Sie versuchte ihn abzuschütteln, aber in Wirklichkeit wollte sie, dass er sie in den Armen hielt, das spürte sie gleich – sie brauchte seine Wärme und seine Kraft. »Das ist äußerst unschicklich«, brummte sie und vergrub das Gesicht in seinem Hemd. »Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist.«
Langsam erwachte Aurelia aus ihren Erinnerungen. Die Mittagssonne schien hell, aber ein Teil ihrer selbst war noch immer in jener milden Nacht, als es nichts gegeben hatte als sie beide und den Duft der Rosen. Es war seltsam, dass Erinnerungen so klar und unmittelbar sein konnten – als hätten sich die Zeiger der Uhr zurückgedreht und die dazwischen liegenden Jahre ständen noch bevor.
Sie schaute über die Weiden hinaus, die in der Hitze flimmerten, und atmete den Duft von Ellies Rosen ein. Das gleiche Parfüm hatte sie in den Stunden begleitet, nachdem Jack sich in die Schlafbaracke begeben hatte. Als sie die Ruhe der Nacht zum Nachdenken gebraucht hatte – nach diesen unfassbaren Eröffnungen und ihrer Reaktion auf seine Liebeserklärung. Jedes Mal, wenn sie diesen Duft jetzt wahrnahm, trug er sie dorthin zurück.
Sie hatte in dem alten Schaukelstuhl gesessen, über das dunkle Land hinausgeblickt und über seinen Antrag nachgedacht. Jack Withers war ein Mann mit verborgenen Tiefen, hatte sie erkannt. Ein Mann von Ehre, den sie mit Stolz würde heiraten können. Aber sie war sich ihrer eigenen Gefühle nicht sicher gewesen, und trotz seiner offenkundigen Aufrichtigkeit hatte sie sich nicht binden mögen. Eine Ehe würde alles zwischen ihnen verändern und ihre Freundschaft auf eine neue Ebene heben, die sie beide am Ende vernichten könnte – denn es gab keine Garantien im Leben, und das Zusammenleben mit jemandem war etwas ganzanderes als die Freundschaft über große Distanzen, die bisher zwischen ihnen bestanden hatte.
Sie war zu lange Witwe gewesen. Hatte zu viele Jahre in einer der rauesten Gegenden der Welt um ihr Überleben gekämpft, als dass sie nun etwas so Ätherischem und Missverstandenem wie der romantischen Liebe verfallen könnte. Als sie vor all den Jahren so dagesessen und über die stillen Weiden in die allumfassende Nacht hinausgeschaut hatte, war ihr klar geworden, dass sie in ihren Gewohnheiten allzu eingefahren und vielleicht auch zu unabhängig war – und Jack war nicht der Mann, der bereit war, die zweite Geige zu spielen. So etwas würde geradewegs in die Katastrophe führen.
Aurelias Seufzen hallte aus der Vergangenheit wider. Sie hatte gelernt, dass es eine Schwäche sein konnte, allzu sehr zu lieben – eine Schwäche, die sich erst offenbarte, wenn einem die Liebe geraubt wurde. Wie es durch Philips Tod geschehen war. Monatelang hatte sie getrauert, und dann hatte sich die Trauer in Wut verwandelt, Wut über die Ungerechtigkeit, die all dem innewohnte. Und am Ende hatte sie zwangsläufig die bittere Wahrheit akzeptieren müssen, dass sie nun niemals das Glück genießen würde, Kinder zu haben, niemals den Frieden, alt zu werden mit dem Mann, den sie
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