Anemonen im Wind - Roman
um den Treibern zu helfen. Sie nahm eine lange Stange und kletterte auf das Geländer, das das Zementbecken umgab. Die Rinder maulten und sträubten sich, als sie die Rampe hinauf und in das Becken getrieben wurden, das über sechs Fuß tief und fünfzig Yard lang war. Leanne und die Knechte stießen sie mit ihren Stangen voran und sorgten dafür, dass wirklich jedes Tier durch das Hexengebräu von übel riechender Arsenbrühe schwamm, das die Zecken abtöten sollte. Es war wichtig, dass das Vieh frei von Ungeziefer und in bester Gesundheit war, denn sonst durfte es nicht auf den Markt gebracht werden.
Als die ersten tausend Stück für gesund befunden waren, half Leanne mit, die Verladung auf die Road Trains von Warratah zu beaufsichtigen. Diese gewaltigen Sattelschlepper zogen oft fünf oder sechs Anhänger, und mit ihnen ließ sich das Vieh am schnellsten durch das Outback transportieren. Sie boten einen Ehrfurcht erregenden Anblick, wenn sie über den Asphalt donnerten, zumeist von einer dichten Staubwolke umgeben, und wehe dem unglücklichen Autofahrer, der hinter ihnen fuhr oder zu überholen versuchte – das war ein riskantes Unternehmen, wie sie aus eigener Erfahrung wusste.
Gern hörte Leanne, wenn ihr Vater Geschichten aus den alten Zeiten erzählte, und sie wusste, dass er die Romantik vermisste, die sich um die großen Viehtrecks rankte. Aber die Zeiten hatten sich geändert. Die Tage, da die Treiber das Vieh über Hunderte Meilen von Wasserloch zu Wasserloch trieben, waren vorbei. Und ebenso die Ungewissheit, wie viele Tiere den Weg durch das dürre Land überstehen würden; Verluste durch Durst, Lahmen, Krankheit und Diebstahl waren oft groß gewesen. Seit es die Road Trains gab, wurden die meisten der alten Strecken, wie die Canning Stock Route, nicht mehr unterhalten, und viele der Wasserlöcher waren verunreinigt.
Angel kam zu ihr, als der erste Road Train abfuhr. Seinezuvor makellosen Moleskins waren jetzt rot von Schmutz und Staub, und das Hemd klebte feucht an seiner breiten Brust. Er nahm den Hut ab und wischte sich mit dem Unterarm über die Stirn. »Schade, dass man die Tiere nicht hier schlachten und dann das Fleisch transportieren kann«, brummte er. »Muss ja höllisch eng sein in diesen Anhängern.«
»Das Fleisch würde verfault ankommen«, erklärte sie entschieden. »Die Kühlanlagen sind noch zu unzuverlässig.« Sie schaute ihn an und lächelte. »Die Fahrer wissen ja, dass sie regelmäßig anhalten müssen, um die Tiere zu füttern und zu tränken. Das geht schon.«
Er setzte sich den Hut wieder auf. »Ich schätze, wir haben jetzt auch eine Essenspause verdient«, sagte er. »Ich verhungere sonst.«
Leanne dachte an ihren Eintopf, der im Herd langsam vor sich hin schmorte, und das Wasser lief ihr im Mund zusammen. Sie hatten seit dem Frühstück nichts gegessen, und jetzt ging der Tag schon zu Ende. Ihre Fantasie bekam Flügel, als er sie an sich zog und küsste. Vielleicht hätte sie noch Zeit, zu duschen und das grüne Hemd und saubere Moleskins anzuziehen, bevor sie einen Gin Tonic auf der Veranda tranken und den Sonnenuntergang betrachteten. Sie stellte sich vor, wie sie gemütlich aßen, bevor sie sich in ihrem großen alten Bett liebten, und Rückenschmerzen und Müdigkeit waren wie weggeblasen. Vielleicht war der Tag doch nicht so übel gelaufen.
ACHT
D ie Baumgruppe reichte über die Hügelkuppe hinunter in die Senke, wo der Billabong die Weide bewässerte. Joe hielt sein Pferd an und stieg ab. Sein Gesicht lag größtenteils im Schatten, beleuchtet nur vom Feuer der letzten Sonnenstrahlen, als er Ellie die Arme entgegenstreckte. Doch sie konnte seine Augen sehen und die Liebe, die darin leuchtete. Sie spürte die Spannung, die zwischen ihnen hin und her strömte, als seine starken Hände sie von Clippers Rücken hoben.
Er drückte sie an sich, und sie fühlte seinen Herzschlag. Sie schloss die Augen und atmete den Duft von Seife und Leder ein, und sie wusste, dass sie sich immer an diesen Augenblick erinnern würde. Sie waren einander so nah, und ihre Lippen waren nur einen Hauch voneinander entfernt. Sie wollte, dass er sie küsste. Sehnte sich danach, die Süße seines Mundes zu schmecken, von der sie wusste, dass sie da war. Aber sie sah auch die Fragen in seinen Augen und ahnte, dass dies nicht der richtige Augenblick war – und als er sie auf die Beine stellte, fühlte sie, dass sie im Einklang miteinander waren.
Er nahm sie bei der Hand und führte sie zu
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