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Anemonen im Wind - Roman

Anemonen im Wind - Roman

Titel: Anemonen im Wind - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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kaum die Chance gehabt, irgendwohin zu reisen, und nachdem Jack zur Army gegangen war, hatten sogar die gelegentlichen Flüge nach Curry ausfallen müssen. Und nun redete Claire fröhlich davon, übers Wochenende von Sydney heraufgeflogen zu kommen, und schien sich gar nichts dabei zu denken. Sie hob die Tasche auf. »Lass dich von Aurelia nicht zu sehr strapazieren. Sie mag alt sein, aber sie hat noch alle Tassen im Schrank, und sie kann einem Pferd die Hinterhand abschwatzen.«
    Claire lachte. »Ich freue mich drauf«, sagte sie. »Aurelia hat gute Geschichten zu erzählen, und sie tut es so, dass ich die Szenen vor mir sehe wie auf einer Kinoleinwand.«
    Ellie lachte. »Das verdankt sie der guten Ausbildung in England. Sie hätte Schriftstellerin werden sollen – nach all den Büchern, die sie gelesen, und dem Leben, das sie geführt hat.« Sie gab Claire einen Abschiedskuss und lief die Stufen hinunter. Auf dem Hof drehte sie sich noch einmal um, um zu winken.
    Der Besuch auf Jarrah war eigentlich nur ein Vorwand, um Warratah zu verlassen. Sie gestand sich ein, ein Feigling zu sein. Aber die Vergangenheit war so nahe gerückt, dass die Erinnerungen ihr die Luft abschnürten. Sie musste den Gespenstern entfliehen. Musste wieder zu Atem kommen und neue Kraft schöpfen, bevor sie gezwungen wäre, den qualvollsten Teil der Geschichte zu enthüllen.
    Claires heimliche Angst war gebannt. Aber ein Teil ihrer selbst weigerte sich zu akzeptieren, dass damit alles geklärt war. Es war ihr nicht entgangen, dass Ellie mit ihrer Antwort kurz gezögert hatte. Sie hatte etwas Dunkles in ihren Augen aufziehen sehen. Aber Mum hätte sie doch sicher nicht belogen – nicht jetzt, nicht, nachdem sie heimgekommen war, damit reiner Tisch gemacht werden konnte? Claire beobachtete, wie die Staubwolke in der Ferne verwehte, nachdem Ellie auf der Piste davongefahren war. Es gab da noch etwas, was ihre Mutter ihr verschwieg, und Claire war sicher, dass es mit Jarrah zu tun hatte. Wie sollte Leanne sonst betroffen sein?
    Aurelia saß im Wohnzimmer, und die Pfeife, die sie nach dem Frühstück anzustecken pflegte, erfüllte den Raum bereits mit Rauch. Claire setzte sich. Ihre Gedanken bereiteten ihr Unbehagen. Um einen klaren Kopf zu bekommen, schaute sie ihre Tante an und lächelte strahlend. »Mum hat gesagt, du sollst mir erzählen, was geschehen ist, als ihr beide allein auf Warratah wart.«
    Aurelias Monokel blinkte im Sonnenlicht. »Wundert mich nicht, dass Ellie mir diesen Teil der Geschichte überlässt«, sagtesie nachdenklich. »Sie hat die Frau nie leiden können, und ich kann es ihr nicht verdenken.«
    Claires Neugierde wuchs. »Welche Frau?«
    »Ihre Mutter«, sagte Aurelia nüchtern.
    Claire beugte sich im Sessel vor. Sie hatte Alicia in London kennen gelernt, als sie ein Jahr drüben gewesen war. Sie hatten in ihrem Club beinahe wortlos zu Mittag gegessen und beim Abschied füreinander so wenig Begeisterung empfunden wie zwei Fremde, die sich im Zug begegnet waren. »Alicia ist zurückgekommen? Warum? Wann?«
    Aurelia stopfte sich die Pfeife und sog den Rauch ein, bevor sie das Streichholz schüttelte, bis es erlosch, und in den Kamin schnippte. »Meine Schwester war nie für ihre Selbstlosigkeit bekannt«, sagte sie eisig. »Sie kam her, um der Lebensmittelrationierung und den Luftangriffen in England zu entgehen. Dabei dachte sie nicht einen Augenblick an Ma und Pa, die zu alt waren, um allein damit fertig zu werden.«
    »Wie war das möglich? Ich hätte gedacht, dass keine Flugzeuge und Schiffe mehr verkehrten.«
    »Alicia landet immer auf den Füßen. Sie hat einen Weg gefunden.« Aurelia rauchte ihre Pfeife, und ihr Blick ging ins Weite, als sehe sie noch immer die Farben jener längst vergangenen Zeit.
    Erschöpft und schlecht gelaunt stand Alicia inmitten von Hunderten schreiender Kinder und deren Mütter und schaute vom hohen Deck des Schiffs nach unten. Sie waren um die halbe Welt gefahren, um hierher zu gelangen, und nun, nachdem sie angekommen waren, fragte sie sich, ob es das alles wert gewesen war. Melbourne war ebenso trist wie Liverpool; der Nieselregen überzog alles mit einer zinnfarbenen Feuchtigkeit, und der bleierne Himmel war ein Spiegelbild ihrer Stimmung.
    »Ist das Australien?«, piepste eine Stimme neben ihr. »Ich dachte, hier scheint die Sonne?«
    Alicia schaute auf das kleine Mädchen hinunter und bemühte sich, ein wenig Enthusiasmus aufzubringen. »Das tut sie meistens«, sagte sie in munterem

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