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Anemonen im Wind - Roman

Anemonen im Wind - Roman

Titel: Anemonen im Wind - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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hat überlebt.«
    Alicia überlief ein Schauder. So leicht hätte es auch sie selbst treffen können. »Niemand?«, hauchte sie.
    Harriet schüttelte den Kopf. »Wenn ich an all die Kinder denke   …« Neue Tränen drohten, und hastig betupfte sie ihr Gesicht. »Danke, dass du auf Betty Acht gegeben hast. Ich weiß nicht, wie ich dir danken kann.«
    »Es war mir ein Vergnügen«, antwortete Alicia und bemühte sich, es auch so zu meinen. »Können wir jetzt aus dem Regen gehen?«
    Schließlich ergatterten sie ein Taxi und drängten sich samt Kindern und Gepäck hinein. Es war ziemlich eng. »Bist du sicher, dass du nicht bei uns unterkriechen willst?«, fragte Harriet, nachdem sie durch die Stadt gefahren waren und vor dem Hotel Imperial Halt machten. »Ich weiß ja, dass die Sozialwohnung, die man uns zugewiesen hat, nichts Besonderes ist, aber zumindest haben wir ein Dach über dem Kopf.«
    Alicia hatte eine ziemlich klare Vorstellung davon, wie diese Wohnung aussehen würde, denn sie hatte Fotos von dem barackenartigen Gebäude gesehen, die Harriet ihrer kleinen Tochtergeschickt hatte, und sie hatte die Nase voll von engen Quartieren und schreienden Kindern. »Ihr lebt ohne mich schon beengt genug«, sagte sie diplomatisch. »Ich bleibe nur über Nacht hier in der Stadt; morgen nehme ich den Zug in den Norden.«
    Sie verabschiedete sich und befreite sich aus Bettys Umarmung. »Ich schreibe dir«, versprach sie hastig und wich dabei einer laufenden Nase und klebrigen Fingern aus. »Und sollte ich je noch einmal nach Melbourne kommen, werde ich dich besuchen.« Damit schien das Kind besänftigt zu sein. Alicia seufzte erleichtert, als das Taxi im Straßenverkehr verschwand. Sie wandte sich ab und stieg die Stufen zum Hotel Imperial hinauf. Was sie jetzt brauchte, war ein heißes Bad und dann ein großer Gin Tonic, gefolgt von einem anständigen Abendessen.
    »Sie hat sich nicht sehr verändert«, sagte Claire, als Aurelia eine Atempause einlegte und sich einen vormittäglichen Whisky einschenkte. »Ich habe sie in London kennen gelernt, und eigentlich interessierte sie sich da nur für den Einkaufsbummel, den sie plante, und für die Cocktailparty, die sie am Abend besuchen würde. Sie hat kaum ein Hehl aus ihrer Langeweile gemacht, als ich ihr erzählte, was es zu Hause Neues gab und was ich in meinem Urlaubsjahr getrieben habe.«
    »Meine Schwester ist eine der selbstsüchtigsten Frauen dieser Welt«, erklärte Aurelia brummig. »Aber ob du es glaubst oder nicht, sie hat auch eine gute Seite.«
    Claire sah zu, wie ein Papagei draußen vor dem Fenster auf einem Ast entlangturnte. Er bewegte sich so gewandt wie ein Hochseilartist, und seine Augen erinnerten Claire ein wenig an Alicia – denn sie blickten gierig und ziemlich kalt. »Sie versteht es jedenfalls, für sich zu sorgen«, murmelte sie bei der Erinnerung an das kostspielige Schneiderkostüm, die hübsche Figur und das makellose Make-up. Ihr Haar war natürlich grau, denn sie musste jetzt Mitte siebzig sein, aber es war frisiert und glänzend, die Fingernägel waren manikürt, und für die Ringe an ihren Fingern hätte man eine kleine Nebenerwerbsfarm kaufen können. »Aber ihre gute Seite kann ich nicht erkennen – es sei denn, du meinst ihr Talent zum Shoppen.«
    »Vom Geldausgeben versteht sie was, das stimmt.« Aurelia lächelte schief. »Aber als sie während des Krieges hier draußen war, hat sie uns demonstriert, aus welchem Holz sie geschnitzt ist – und ich muss sagen, sie hat ihre Sache gut gemacht. Hat uns alle überrascht.« Die alte Dame machte es sich mit ihrem Whisky bequem.
    »Muss ein ziemlicher Kulturschock gewesen sein«, meinte Claire. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Alicia mit Kühen umgehen kann.«
    »Konnte sie zuerst auch nicht.« Aurelia schnaubte vor Lachen. »Aber das hat sich geändert. Das musste sein, wenn wir alle überleben wollten.« Sie schaute Claire über den Rand ihres Glases hinweg an. »Du erinnerst mich so sehr an deine Mutter«, sagte sie. »Eine richtige kleine Nervensäge mit all ihren Fragen. Sie hat mich auf der Farm und im Haus verfolgt und war immer erst zufrieden, wenn sie alles wusste.« Aurelia lächelte. »Nicht, dass du eine Nervensäge wärst«, fügte sie hastig hinzu. »Aber du bist genauso wissbegierig, wie sie es war – und immer noch ist.«
    Claire verbarg ihr Lächeln hinter dem Glas, als sie an ihrem Whisky nippte. Normalerweise trank sie tagsüber nicht, vor allem, wenn es so heiß war,

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