Ange Pitou, Band 2
Königin.
Gilbert dachte, es sei Zeit, dazwischen zu treten.
Madame, sagte er, der König wird dergestalt in Paris geachtet, und seine Gegenwart wird dort ein solches Entzücken bereiten, daß ich, wenn ich je etwas befürchte, nichts für den König, sondern für die Fanatiker fürchte, welche imstande sind, sich unter den Füßen seiner Pferde zertreten zu lassen.
Oh, mein Herr, mein Herr! rief Marie Antoinette.
Dieser Zug nach Paris wird ein Triumphzug sein, Madame.
Aber, Sire, Sie antworten nicht.
Weil ich ein wenig der Ansicht des Doktors bin, Madame.
Und nicht wahr, es drängt Sie die Ungeduld, diesen Triumph zu genießen?
Der König hätte in diesem Falle recht, und seine Ungeduld würde beweisen, mit welch tief richtigem Sinn Seine Majestät die Menschen und die Dinge beurteilt. Je mehr Seine Majestät sich beeilen wird, desto größer wird der Triumph sein.
Ja, Sie glauben das, mein Herr?
Ich bin dessen sicher, denn wenn er zögert, kann der König den ganzen Vorteil der Freiwilligkeit verlieren. Bedenken Sie wohl, Madame, man kann anderswo den Anfang mit einer Bitte machen, die dann in den Augen der Pariser die Stellung Seiner Majestät verändern und sie gleichsam einem Befehle würde nachkommen lassen.
Sie sehen, rief die Königin, der Doktor gesteht: man würde Ihnen befehlen. Oh! Sire, sehen Sie doch!
Der Doktor sagte nicht, man habe befohlen, Madame.
Geduld! Geduld! verlieren Sie die Zeit, und die Bitte oder vielmehr der Befehl wird kommen.
Gilbert preßte seine Lippen mit einem Gefühle des Ärgers leicht zusammen, was die Königin, wie schnell sich auch dieverdrießliche Miene wieder verzog, dennoch sogleich bemerkte.
Was habe ich gesagt! murmelte sie, ich arme Wahnsinnige, die ich bin, ich habe gegen mich selbst gesprochen.
Worin, Madame? fragte der König.
Darin, daß ich durch einen Aufschub Ihnen den Vorteil entreiße, den ersten freiwilligen Schritt zu thun, und dennoch nicht davon ablassen kann, einen Aufschub von Ihnen zu fordern.
Oh! Madame! Madame! verlangen Sie alles, nur dieses nicht.
Antoinette, sprach der König, den Kopf schüttelnd, Sie haben geschworen, mein Verderben zu bereiten.
Oh! Sire, rief die Königin mit einem Ausdruck des Vorwurfs, der alle Bangigkeiten ihres Herzens offenbarte, können Sie so mit mir sprechen!
Warum versuchen Sie es denn, diese Reise zu verzögern? fragte der König.
Bedenken Sie wohl, Madame, unter solchen Umständen ist der geeignete Zeitpunkt alles. Bedenken Sie wohl das Gewicht der Zeit, die man in solchen Augenblicken unbenutzt verschwinden läßt, wahrend ein ganzes in Wut geratenes Volk voller Ungeduld die Stundenschläge zählt.
Nur nicht heute, Herr Gilbert. Morgen, Sire, oh! morgen, bewilligen Sie mir die Frist bis morgen, und ich schwöre Ihnen, daß ich mich dieser Reise nicht mehr widersetzen will.
Ein verlorner Tag, murmelte der König.
Vierundzwanzig lange Stunden, sagte Gilbert, bedenken Sie, Madame, bedenken Sie.
Sire, es muß sein, sprach flehend die Königin.
Einen Grund wenigstens, versetzte der König.
Nichts als meine Verzweiflung, Sire, nichts als meine Thränen, nichts als mein Flehen.
Weiß man denn, was von jetzt bis morgen geschehen wird? rief der König, ganz verwirrt beim Anblick der Verzweiflung von Marie Antoinette.
Was soll geschehen? fragte die Königin, indem sie Gilbert mit flehender Miene anschaute.
Oh! erwiderte Gilbert, dort noch nichts; eine Hoffnung, und wäre sie auch so schwankend wie eine Wolke, wird genügen, um sie zum Warten bis morgen zu bewegen; aber ...
Aber hier, nicht wahr? sagte der König.
Ja, Sire.
Die Nationalversammlung?
Gilbert nickte mit dem Kopf.
Die Nationalversammlung, fuhr der König fort, die mit Männern, wie Herr Monnier, Herr Mirabeau, Herr Sieyes imstande ist, mir eine Adresse zu schicken, die mir allen Vorteil meines guten Willens nehmen wird.
Nun wohl! rief die Königin mit einer düstern Wut, desto besser, weil Sie dann abschlagen, weil Sie dann Ihre Königswürde behaupten, weil Sie nicht nach Paris gehen werden, und weil, wenn hier der Krieg auszuhalten ist, wir ihn aushalten werden! weil wir, wenn man hier sterben muß, als erhabene und unangetastete Personen, wie wir sind, als Könige, als Gebieter, als Christen, die auf Gott bauen, von dem Sie Ihre Krone haben, sterben werden.
Als König Ludwig XVI. diese fieberhafte Überspannung der Königin sah, begriff er, daß in diesem Augenblick nichts andres zu thun war, als nachzugeben..
Er winkte
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