Angeklagt - Dr. Bruckner
ausgeht.«
»Das kann nur Peter Schnell gewesen sein«, warf Dr. Heidmann ein. »Die beiden scheinen sich angefreundet zu haben.«
»Er scheint auch ein netter Kerl zu sein – wenn er nicht diesen Tick hätte, mir unbedingt schaden zu wollen. Ich muß ihn anrufen – ich muß die Genehmigung zur Obduktion haben.«
»Ich sagte Ihnen, daß ich einen anderen Plan habe.« Heidmann griff nach Messer und Gabel und begann, den Schweinebraten zu attackieren.
»Und der wäre?«
»Ich werde ihn anrufen. Wenn ich es tue, klingt es neutraler. Wenn Sie es tun, wird sofort ein altes Vorurteil wach, und er wird es mit Sicherheit ablehnen. Man müßte eigentlich Professor Bergmann bitten, ihn anzurufen. Er könnte als Autoritätsperson ganz anders auftreten.«
»Vielleicht sollte man es über Frau Kollegin Pellenz versuchen? Sie scheint doch den größten Einfluß zu haben. Ich werde einmal mit ihr sprechen. Wenn sie es nicht tun will, kann ich ja immer noch den Chef bitten. Und wenn das nichts nützt, müßte ich auf Sie zurückgreifen. Sie haben vollkommen recht. Wenn ich anrufe, erwecke ich bloß Aggressionen.«
»Vielleicht kommen die beiden heute Abend zufällig auch hierher?«
»Man soll sich nie auf solche Zufälle verlassen. Außerdem –«, er schaute sich in dem Weinlokal um, »weiß ich nicht, ob das hier der richtige Ort wäre, ein solch ernstes Gespräch zu führen. Ich werde auf jeden Fall morgen vormittag gleich mit ihr sprechen.«
»Und wenn Sie nicht die Genehmigung bekommen, wenn Sie nicht auf diese Art exkulpiert werden?« Besorgt schaute Heidmann Dr. Bruckner an.
»Dann –«, der Oberarzt richtete sich auf, seine Stimme klang fest, und sein Gesicht nahm einen entschlossenen Ausdruck an, »dann werde ich die Bergmann-Klinik verlassen!«
Es war ein wunderschöner Abend gewesen. Barbara hatte ihn voll und ganz genossen. Je länger sie mit Peter zusammen war, desto angenehmer wurde er, desto mehr verlor er den Mutterkomplex, den sie an ihm so verabscheute. Er hatte sich im Laufe des Abends mehr und mehr zu einem unabhängigen Menschen, zu einem zärtlichen Liebhaber entwickelt. Sie schien der Katalysator zu sein, der ihn vom Sohn, der er bisher gewesen war, zum Mann verwandelte.
Sie hatte mehrmals versucht, das Gespräch auf Dr. Bruckner und die Klinik zu bringen. Sie wollte die Spannung lösen, die sich dort noch befand. Aber jedesmal, wenn sie mit dem Gespräch nur in die Nähe der Klinik oder gar auf Oberarzt Bruckner kam, winkte er ab.
»Es hat keinen Zweck. Ich weiß, daß dir viel daran liegt. Schließlich arbeitest du dort. Aber vergiß es! So lange dauert es ja nicht mehr, bis du deine Doktorarbeit geschrieben hast. Dann bist du frei. Dann kannst du diese Klinik vergessen.«
Es war spät geworden, als sie auf die Uhr schaute und er schrocken seinen Arm nahm. »Ich muß in die Klinik zurück. Ich habe versprochen, bei dem frisch Operierten zu bleiben Fährst du mich schnell hin?«
»Es tut mir sehr leid, daß du schon gehen mußt. Demnächst, wenn du deine Doktorarbeit fertig hast und nicht mehr in die Klinik brauchst, werden wir auch nicht mehr auf die Uhr schauen müssen! – Ich bringe dich selbstverständlich.«
Er begleitete sie auf den Flur, nahm ihren Hut vom Haken und reichte ihn ihr. »Es macht mir Freude, dir zuzuschauen wenn du ihn aufsetzt. Du hast dieselben Handbewegungen wie meine Mutter, wenn sie ihre Hüte aufsetzte.«
Wieder seine Mutter, fuhr es Barbara durch den Sinn. Sie versuchte, aus dem Hutaufsetzen nicht die Zeremonie zu machen die sie sonst gespielt hätte, aber selbst diese nebensächlichen Bewegungen schienen ihn nicht von der Bewunderung abzuhalten. Er trat einen Schritt zurück, betrachtete sie aus einiger Entfernung und rief: »Du siehst einfach bezaubernd aus!«
Sie machte sich von ihm los und deutete wieder auf ihre Uhr. »Es wird höchste Zeit. Sonst bekomme ich noch Ärger. Stell dir vor, dem Patient passiert etwas, wenn ich nicht da bin.«
»Es ist besser, es passiert ihm jetzt, als wenn du bei ihm bist«, versuchte Peter Schnell ihre Bedenken zu zerstreuen.
Er ging mit ihr auf die Straße, schloß die Haustür ab und öffnete den Schlag seines Wagens. »Steig bitte ein. Um diese Zeit brauchen wir keine Sorgen zu haben, daß wir aufgehalten werden. Es gibt kaum Verkehr auf den Straßen.«
»Abgesehen von einigen Betrunkenen, und die sind gefährlicher als jeder noch so dichte Verkehr, weil sie unberechenbar sind.« Sie befestigte ihren Gurt. Er
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