Angel 01 - Die Engel
der Jacke. Walters Arme rutschten zentimeterweise nach unten und drehten die Ärmel langsam aber sicher von innen nach außen.
» Halten Sie mich!«, kreischte Walter. » Ich will so nicht sterben!«
Der Kahnführer starrte auf den faszinierenden Anblick in der Höhe, dann verschwand der Kahn unter der Brücke.
Der Polizist versuchte, Walter hochzuziehen, aber Walter rutschte immer weiter aus seinen Ärmeln, bis er sich nur noch mit den Fingern an die Manschetten klammerte. Er versuchte, mit den Füßen Halt an der Brückenkante zu finden, doch gerade als er einen Spalt entdeckt hatte, hörte er, wie die Ärmel mit einem lauten Geräusch von der Jacke abrissen. Sein Geschäft war schon so lange auf Talfahrt gewesen, dass er irgendwann angefangen hatte, billige Kleidung vom Markt zu kaufen.
» Verdammte Jacke«, heulte er, als er fiel.
Das waren seine letzten Worte, bevor er in die klebrige Brühe stürzte. Er verschwand unter der Oberfläche und schluckte dabei jede Menge Blut. Dann strampelte er in der warmen Flüssigkeit, die ihm guten Auftrieb gab, und glitt an die Oberfläche. Es war grauenhaft. Er hoffte, dass es tatsächlich Tierblut war, was schließlich schon schlimm genug wäre. In Menschenblut zu treiben – das wäre unvorstellbar gewesen. Trotzdem konnte er nicht anders, er musste es sich vorstellen.
» Oh Gott!«, kreischte er. » Holt mich hier raus.«
Er schluckte wieder eine Portion, als er sich auf den Bauch rollte. Dann trieb er mit der Strömung. Plötzlich fühlte er etwas hartes, scharfes an seinem Hemdkragen und wäre fast erstickt, als er zu einem Boot gezogen wurde. Hände griffen nach unten und packten seinen klebrigen, roten Körper, um ihn dann an Bord eines Bootes der Wasserschutzpolizei zu hieven.
» Alles klar, wir haben Sie«, sagte ein Mann. » Sind Sie okay? Keine Verletzungen, oder?«
Walter setzte sich hustend auf und schaute an sich herunter. Er war von Kopf bis Fuß mit Blut bedeckt.
» Wie zur Hölle soll ich das erkennen?«, fragte er dann.
» Diesen Teil der Bibel kennt ihr alle«, sagte Petra. » Die Geschichte von Moses und dem Auszug aus Ägypten kennt jeder. Wir haben es hier mit einem Nachahmungstäter zu tun. Manovitch demonstriert uns seine Macht.«
» Die zehn biblischen Plagen!«, stellte Mutter Teresa fest.
» Und neun davon stehen uns noch bevor«, ergänzte Bruder Tuck.
Von Oxford bis zum Meer war die Themse dickflüssig und rot. An der Quelle in den Cotswold Hills, in der Nähe von Cirencester, war das Wasser noch kristallklar, aber irgendwo um Oxford herum veränderte es seine Farbe und Konsistenz, bis es zu einer Flüssigkeit wurde, die aussah wie Blut und alle chemischen Eigenschaften von Blut aufwies.
Im Rest von London führten alle kleineren Nebenflüsse, die meisten davon unterirdisch, nun ebenfalls Blut. Der Serpentine See im Hyde Park, die Brunnen am Trafalgar Square und alle Teiche, Seen, die kleinen Reinigungsrinnsale in Leichenschauhäusern, die Kanäle und Gullies, die Flüssigkeit, die aus Wasserhähnen und Toiletten kam, alles, alles war Blut, überall nur Blut. Es verstopfte die Rohre, blockierte die Abflüsse, tötete die Koi-Karpfen in den mit Marmor eingefassten Teichen der Reichen. Es füllte die Swimmingpools und die Wassertanks auf den Dächern und sprühte rote Tropfen aus den automatischen Rasensprengern in Parks und Gärten. London war blutgetränkt.
Die einzigen Menschen, die dieser Plage entgingen, waren die Teilnehmer der Konferenz, da sie über eine unabhängige Wasserquelle verfügten.
Lloyd erklärte den anderen: » In der offiziellen Stellungnahme heißt es, dass die Fließgeschwindigkeit der Themse ungewöhnlich hoch ist und dadurch eine bisher unbekannte rote Lehmbank aufgewühlt wird, wodurch sich das Wasser verfärbt.«
» Ist das nicht die gleiche Ausrede, zu der die Berater des Pharaos auch schon beim ersten Mal gegriffen haben?«, fragte Dave säuerlich.
» Es ist nur eine Stellungnahme«, meinte Lloyd. » Die glaubt sowieso niemand. Die Leute brauchen etwas, worüber sie reden können, während sie für ihr Wasser anstehen, das mit Tanklastern von außerhalb geholt wird.«
» Kann man denn tatsächlich ganz London so versorgen?«
» Wir benutzen Los Angeles als Vorbild. Erinnern Sie sich noch, wie da vor drei Jahren Terroristen die Reservoire vergiftet hatten? Wenn Los Angeles genügend Wasser von außerhalb zur Verfügung stellen kann, dann kann London das auch. Außerdem glauben wir nicht, dass es lange
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