Angel 01 - Die Engel
davon überzeugt, dass Petra über die Kräfte verfügt, die sie zu haben behauptet, aber natürlich hat Lieutenant Peters das Recht zu zweifeln. Also, sehen wir uns die bisherige, allgemeine Situation an. Wir haben irgendwo draußen in den Vororten eine bösartige, unberechenbare tote Seele. Soweit wir wissen, hat sie schon mehrere Menschen getötet, ist aber immer im Verborgenen geblieben. Auf der anderen Seite haben wir einen Erzengel – nur der zweitniedrigste in der Engelshierarchie. Engel werden in neun Chöre und drei Triaden unterteilt. In der ersten Triade sind Seraphim, Cherubim und Throne, in der zweiten Herrschaften, Mächte und Gewalten, und in der dritten Fürsten, Erzengel und Engel. Was passiert also, wenn der Erzengel versagt? Vielleicht wird ein Vertreter eines höheren Chores geschickt, vielleicht sogar aus der ersten Triade. Und was würde passieren, wenn ein Seraphim auf die Erde kommt, um Manovitch zu zerstören?«
» Auf Wiedersehen, lieber Planet?«, riet Danny.
Lloyd nickte ernst. » Sie sehen also, wir müssen ihn einfach erwischen. Könnten wir jetzt also Petra fragen, wie geduldig der Erzengel wohl sein wird?«
» Der Erzengel sagt, dass er auf die Erde gekommen ist, um die Konferenz vor Manovitchs Einfluss zu schützen.«
» Na prima«, meinte Dave sarkastisch. » Aber das beweist immer noch nicht, wer du eigentlich bist. Nach allem, was wir wissen, könntest du auch ein Dämon sein – hübsch genug wärst du ja. Ich schätze mal, es gibt auch so etwas wie weibliche Dämonen, habe ich nicht Recht, Bruder Tuck? Sukkubi heißen die, oder nicht?«
» Überspann den Bogen nicht, Dave«, warnte Danny. » Ich weiß auch so, dass dir das mit Petra und mir nicht passt.«
» Was sollte mir daran denn nicht passen?«, knurrte Dave. » Ich versuche nur, dich zu beschützen, du Idiot. Wir wissen rein gar nichts über diese Frau.« Er starrte Petra durchdringend an. » Nur das, was man uns gesagt hat. Ich persönlich bin skeptisch, und ich will einen Beweis dafür sehen, dass sie ist, wer oder was sie zu sein behauptet, und zwar bevor wir weitermachen.«
Lloyd fragte: » Wie ist es mit den anderen?« Dann sagte er zu Petra: » Verzeihen Sie mir, meine Liebe, aber irgendwie müssen wir das regeln.«
» Natürlich«, erwiderte sie mit ausdrucksloser Miene.
Stan Gates sagte leise: » Ich stimme dem Lieutenant zu. Ich bin altmodisch. Ich brauche einen Beweis.«
Rajeb Patel nickte, um zu zeigen, dass er ebenso dachte.
Petra sagte: » Tja, den werden Sie aber nicht kriegen, Lieutenant, denn ich muss mich vor niemandem beweisen, und am allerwenigsten vor Ihnen. Sie werden mir einfach glauben müssen, so wie alle anderen auch. Das ist alles.«
Mit diesen Worten stand sie auf und verließ den Raum.
12
A uf der Westminster Bridge stand ein Mann und schaute hinunter auf die Themse. An seiner Erscheinung war nichts Auffälliges: ein grauer Mann in einem grauen Anzug. Der Anzug war zerknittert, genau wie der Kragen seines Hemds, das er ohne Krawatte trug. Seine gesamte zerzauste Gestalt strahlte Verzweiflung aus: Das war ein Mann, dessen chronische Depressionen ihn an den Rand des nassen Todes getrieben hatten, und nun war er kurz davor, diesen Rand zu überschreiten. Ein kalter, grauer Morgen ist eine gute Zeit für einen verbitterten, grauen Mann, um Selbstmord zu begehen; er verschafft ihm genau die Ermutigung, die er noch braucht, um sein trauriges Leben zu beenden.
Seiner Meinung nach hatte die Stadt um ihn herum nicht viel Schönes zu bieten. Ihre Großartigkeit berührte ihn nicht, die schlafenden Häuser lösten nichts in ihm aus, und auch wenn ihr mächtiges Herz gerade stillstand, konnte Walters abgestumpfte Seele daran vorbeigehen, ohne ihm einen zweiten Blick zu gönnen. Nur der gutmütige, dahinströmende Fluss interessierte ihn.
Seufzend dachte Walter Rainforth an sein Geschäft, daran, wie es in den frühen Jahren floriert hatte und in den Neunzigern langsam aber sicher geschrumpft war, bis es nun hoch und unwiderruflich verschuldet war, reif für den Gerichtsvollzieher. Walter war ein stolzer Mann, dessen Vater ihm immer gesagt hatte, dass aus ihm nie etwas werden würde, und nun hatte sich dieser Fluch bewahrheitet. Walter hasste es, dass sein Vater Recht behielt, war aber gleichzeitig froh, dass der alte Mann tot war und die endgültige Erniedrigung seines Sohnes nicht mehr miterleben konnte. Walter fragte sich, ob der alte Dreckskerl ihn wohl schon lachend auf der anderen Seite
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