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Angel 01 - Die Engel

Angel 01 - Die Engel

Titel: Angel 01 - Die Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garry Kilworth
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erwartete. Das war mal ein wirklich deprimierender Gedanke.
    Er stieg auf das Brückengeländer und setzte sich auf die Kante. Walters Frau würde keine Lebensversicherung ausbezahlt bekommen, weil es ja Selbstmord wäre, aber Walter mochte seine Frau sowieso nicht besonders. Sie hatte ihn vor fünf Jahren wegen eines Metzgers sitzenlassen. Walter hatte geweint, als sie ging, aber er hatte sein Testament nicht geändert. Sie war seine einzige lebende Verwandte. Er hatte sonst niemanden, dem er seine Schulden hinterlassen konnte, außer vielleicht einem Tierasyl. Aber Walter hasste Tiere noch mehr als seine Frau. Man sollte vielleicht erwähnen, dass Walter zu diesem Zeitpunkt jedes Wesen hasste, das auf dieser selbstsüchtigen, unerbittlichen Erde wandelte – sogar sich selbst.
    » Hey, Sie!«
    Walter drehte sich um und entdeckte einen Streifenwagen, der langsam auf der anderen Straßenseite vorbeirollte. Ein Constable lehnte sich aus dem Fenster. Er machte eine vage Geste in Walters Richtung. » Seien Sie vorsichtig, Mann«, rief der Polizist. » Oder wollen Sie vielleicht reinfallen?«
    » Ja«, sagte Walter.
    Der Streifenwagen hielt an.
    » Sind Sie besoffen, oder was?«, rief der Polizist. » Machen Sie keine Dummheiten. So schlimm kann es doch gar nicht sein.«
    » Oh doch«, erwiderte Walter, » eigentlich ist es sogar noch schlimmer.«
    Der Polizist stieg aus dem Wagen und kam über die Straße.
    » Ich werde springen«, drohte Walter.
    Der Polizist blieb sofort stehen und ging dann zum Wagen zurück. Er sagte etwas zu seinem Kollegen am Steuer, der daraufhin das Funkgerät nahm und hineinsprach. Walter wusste, dass sie Verstärkung anforderten, und ließ seinen Hintern langsam von dem Geländer rutschen, so dass er immer weiter auf den Abgrund über dem fließenden Wasser in der Tiefe zuglitt.
    In diesem Moment wäre er fast gesprungen, doch dann stieg die Sonne über den Horizont, und der Anblick war so wunderschön, dass er plötzlich innehielt. Er klammerte sich an den Beton und starrte. Er hatte schon lange nicht mehr gesehen, wie die rote Scheibe aufstieg und ihre Strahlen über die erwachende Welt schickte. Ihr zart rosafarbenes Licht beschien die Wolken und die Dächer der Häuser. Selbst die Kuppel des Erzengels hatte einen zarten Schimmer.
    » Morgenrot – Schlechtwetter droht«, murmelte Walter. » Na ja, mir wird’s nicht den Tag verregnen«, fügte er mit einer gewissen, verbitterten Befriedigung hinzu.
    Er starrte wieder hinunter auf das Wasser, das jetzt rot leuchtete.
    » Alles klar?«, rief der Polizist. » Machen Sie keine Dummheiten.«
    Unter Walter fuhr ein Lastkahn hindurch, der Gasflaschen stromaufwärts transportierte. Walter zuckte zusammen. Wäre er jetzt gesprungen, dann hätte er sich auf den Metallflaschen das Rückgrat gebrochen und seine Situation nur noch weiter verschlimmert. Sein Ziel war der Tod, nicht ein Krankenhausaufenthalt mit zerschmetterter Wirbelsäule.
    Der Kahnführer schaute ins Wasser und wirkte verwirrt. Trotz der deprimierenden Situation wurde Walter plötzlich neugierig. Der Fluss war sein allerletztes Ziel im Leben, und wenn er jemanden stutzig machte, wollte er wissen, warum.
    » Was ist los?«, rief Walter.
    Der Kahnführer schaute hoch und sagte: » Das Wasser ist ganz rot.«
    » Das ist die Sonne«, meinte Walter.
    » Nein, ist es nicht«, widersprach der Kahnführer. » Es ist das Wasser – ist ganz dick und zähflüssig. Und riecht auch irgendwie süßlich. Das ist Blut. Ich schwöre es. Da kommt Blut von stromaufwärts. Was machen Sie überhaupt da oben? Sie sollten besser vorsichtig sein, sonst fallen Sie noch runter.«
    Blut? Walter klammerte sich krampfhaft an das Geländer, um nicht weiter abzurutschen. Jetzt konnte er das Blut riechen. Irgendjemand musste wohl Vieh schlachten, oben in der Nähe von Marlow, draußen auf dem Land. Walter wollte nicht in Kuhblut ertrinken. Das war widerlich.
    » Helfen Sie mir«, rief er dem Polizisten zu. » Helfen Sie mir, ich rutsche ab.«
    Der Polizist, der sich sowieso wieder langsam angeschlichen hatte, hechtete über die Straße. Er erwischte Walters Jacke genau in dem Moment, als Walters Hintern vom Geländer abrutschte. Walter schrie. Der Polizist umklammerte krampfhaft den Saum der Jacke.
    Walter hing über den zähen Wellen der blutigen Themse, die Arme durch das Gewicht seines Körpers zu einem V über seinem Kopf verzerrt. Der Polizist lehnte sich über die Brüstung und riss verzweifelt am Rückenteil

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