Angel 01 - Die Engel
Mafia. In Wahrheit wusste das örtliche Syndikat nicht einmal, dass Joey überhaupt existierte, aber er schaffte es hin und wieder, im Gespräch mit niedrigen Mitgliedern gesehen zu werden, was seinen potenziellen Feinden Anlass zum Nachdenken gab. Joey hielt zum Bespiel einmal Freddie Pinella auf, als er vom Friseur kam, und fragte ihn in verschwörerischem Flüsterton, ob er einen Tipp für den nächsten Schwergewichtskampf habe. Freddie, der sich immer geschmeichelt fühlte, wenn man ihn nach seiner Meinung fragte, auch wenn er ständig danebenlag, schenkte dem Jungen daraufhin ein paar Minuten seiner kostbaren Zeit. Joey nickte ernst, als er seinen Tipp bekam, und ging dann eilig davon, als befinde er sich auf einer Mission für die Mafia. So zweifelten die Spitzel der Gangs nicht daran, dass Joey für die großen Jungs arbeitete und man sich besser nicht mit ihm anlegte.
Joeys Gebiet umfasste auch die Straße, in der Vanessas Wohnung lag, und manchmal ging er auf dem Bürgersteig daran vorbei. Joey war ein Womanizer, der es nie versäumte, den Mädels ein Nicken und ein Lächeln zu schenken, selbst solchen Feuerleitern wie dieser Süßen mit den strähnigen blonden Haaren. Dann musste man eben an diesen endlosen Beinen hochklettern, um ranzukommen. Für Joey war das okay, solange sie ihn für die Arbeit bezahlte. Ihm war es egal, ob sie groß oder klein waren, ebenso ihre Maße, außer vielleicht, sie waren so breit wie hoch. Einmal hatte er absichtlich seine Jacke offen gelassen, damit sie die Waffe in seinem Hosenbund sehen konnte. Er wusste, dass es die Frauen total scharfmachte, wenn ein Kerl eine Waffe trug. Verdammt, er bekam ja selbst einen Ständer, wenn er daran dachte, und da er zu diesem Zeitpunkt eine hautenge Jeans trug, konnte sie das auch sehen.
Er kannte ihren Namen, Vanessa Vangellen, weil er einmal ihre Post durchsucht hatte. Joey wusste gerne, was in seinen Straßen so abging. Es war ein stilvoller Name, deshalb war er auch ein wenig überrascht, als sie ihn eines Tages aufhielt und fragte, ob er etwas für sie tun könne, oben in ihrer Wohnung. Offenbar war sie eine dieser älteren Frauen, die auf schlanke junge Latinos wie ihn standen, mit straffen Körpern und jeder Menge Energie. Er wusste, dass er bei den älteren Frauen den Ruf genoss, weitermachen zu können, wo andere erschlafften, und Frauen redeten miteinander über solche Dinge. Wenn sie unter sich waren, ohne ihre Ehemänner und Freunde, waren sie da schlimmer als Männer. Joey konnte dafür sorgen, dass diese Schlampen mehrmals nach Jesus kreischten, kam dann aber selbst immer noch nicht. Sie liebten seinen kleinen Knackarsch und seine weiche, haarlose Brust, sagten sie.
» Klar«, sagte er zu der Vangellen und grinste. » Wie viel zahlen Sie denn?«
» Ich werde es Sie wissen lassen«, erwiderte sie nur.
20
B ronski hatte an diesem Morgen Dienst am Empfang. Obwohl er heute übergewichtig und näher an einem Herzinfarkt war als an seiner Pensionierung, hatte er zu seinen besten Zeiten in der Polizeimannschaft geboxt und war gegen andere Organisationen angetreten, sogar gegen die Strafgefangenen, als das Gefängnis eine Mannschaft aufgestellt hatte.
Das war in der guten alten Zeit gewesen, bevor San Francisco voller Brandstifter gewesen war, unter denen kein einziger guter Kämpfer zu finden war. Der durchschnittliche Brandstifter kreischte und nahm die Beine in die Hand, wenn es um einen Faustkampf ging; ihre langen, schlanken Finger eigneten sich offenbar nur dazu, ein Streichholz zu halten. Früher hatte man hauptsächlich Straßenräuber und Mörder hinter Gitter gesteckt, von denen einige wirklich gut mit ihren Fäusten umgehen konnten, und Bronski hatte sie genüsslich und gnadenlos verdroschen, bis sie zu Boden gingen. Er sagte immer, das sei die Revanche für die Beulen und Blutergüsse, die er sich zuzog, wenn er sie verhaftete.
Als dieser schicke Typ reinkam und fragte, ob die Detectives Peters und Spitz im Gebäude seien, stand Bronski also am Tresen. Er war ein von Natur aus streitlustiger Mensch, dessen Devise lautete » Aggressivität vor Höflichkeit«, falls Letztere überhaupt nötig war. Außerdem war Bronskis Tag bisher gar nicht gut verlaufen, da ihn eine Nutte in die Hand gebissen hatte. Der Biss machte ihm Sorgen: Was, wenn er sich mit irgendeiner Krankheit angesteckt hatte, einer, über die er lieber gar nicht genauer nachdenken wollte?
» Wer will das wissen?«
» Ich will das wissen«, sagte der
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