Angel 01 - Die Engel
bekam. Jetzt hielt niemand mehr Whitey für einen schlechten Menschen. Sie hielten ihn für ein Opfer von gestern.
Wenn Manny seinen Kopf um neunzig Grad nach links drehte, konnte er auch die Lichter der Golden Gate Bridge sehen. Mitten auf der Brücke stand ein brennendes Auto – fast schon ein Scheiterhaufen, denn Manny hatte gerade im Autoradio gehört, dass eine Frau in dem Wagen eingeklemmt gewesen war, als er explodierte. Das Auto hatte die Balken und Trossen in seiner Nähe mit in Brand gesteckt. Feuer hatte etwas Schönes an sich, etwas Magisches.
Manny fühlte sich entspannt und erleichtert.
Er hatte davon gehört, dass diese Polizeiwache abgefackelt worden war, und er war froh gewesen, dass die Arschlöcher Peters und Spitz zu dieser Zeit nicht in ihrem Büro gewesen waren. Das hieß, dass sie noch am Leben waren. Manny wollte nicht, dass die beiden Cops in einem Feuer starben, das er nicht selbst gelegt hatte. Er wollte sie selbst töten, mit seinen eigenen Methoden.
» Diese Arschlöcher«, knurrte Manny vor sich hin. » Ich werde mir einen nach dem anderen schnappen. So habe ich die doppelte Befriedigung.«
Nach dem verpatzten Anschlag auf Foxys Bistro hatte er sich bereits einen neuen Plan überlegt. So leicht wurden die Wichser ihn nicht los. Aber langsam. Er hatte jede Menge Zeit. Wenn er sie zu schnell tötete, würde er es gar nicht genießen können. Sobald sie tot waren, waren sie tot, und der Spaß hätte ein Ende.
Plötzlich wurde Manny ganz elend zumute, und er war voller Selbstmitleid, als er an all die Ungerechtigkeiten dachte, die ihm widerfahren waren. Immer waren die Leute hinter ihm her, demütigten ihn, nahmen ihm seinen Stolz als Mann. Besonders Frauen. Diese Vangellen-Schlampe, die würde auch leiden, aber langsam. Manny würde ihr das Gehirn rausvögeln, ihr dann die Kehle durchschneiden und zusehen, wie sie verblutete. Kein schnelles Feuer für Vangellen. Ein langsames Ausbluten, mit offenen Augen, während ihr Mund versuchte zu sprechen.
» Ich werde es ihnen zeigen«, schluchzte Manny. » Ich werde es allen zeigen.«
22
Den Menschen würden die Verhaltensweisen der Engel seltsam und facettenreich vorkommen und ihre Art, sich miteinander zu verständigen, einzigartig, ohne jeden Vergleich. Eine Ahnung, ein Gefühl, kann eine ebenso laute Botschaft verkünden wie eine Fanfare. Der Engel hatte den Drang verspürt, nach Hause zurückzukehren, ein Gefühl, das tief aus seinem Inneren aufstieg, aber er ignorierte diesen Ruf und schrie gepeinigt auf.
Die Sterblichen hatten sich solche Mühe gegeben, einen Weg zu finden, um die Vorgesetzten des Engels zu erreichen, um sie über seine Verbrechen zu informieren. Doch eigentlich war das reine Energieverschwendung gewesen.
Was die Sterblichen nicht wussten, war die Tatsache, dass jeder Engel sein eigener Richter ist. Er untersucht seine Beweggründe, besonders jene, die dafür sorgen, dass er einem Aufruf zur Rückkehr nicht nachkommt, und entscheidet dann über sein Schicksal. Was er in Unwissenheit getan hat, kann vergeben werden, aber was er in voller Absicht vollzogen hat, muss mit einer Strafe belegt werden, wenn es nach eingehender Prüfung für falsch befunden wird.
Als der Engel den Ruf spürte, haderte er damit, dass er zum falschen Zeitpunkt kam, haderte damit, wie ungerecht es war, gehen zu müssen, bevor sein Werk vollendet war und er alles beglichen hatte.
Frustriert und voller Zorn verschob er seine Abreise, obwohl er genau wusste, dass eine solche Verzögerung geradezu zu einer Bestrafung einlud, einer Strafe, die sich danach richten würde, wie seine eigene Einschätzung lautete: Wie weit war er vom Weg abgekommen, wie stark hatte er sich befleckt?
Die Verzögerungstaktik war an sich noch schlimmer als der ursprüngliche Fehltritt. Es war der Befehl gekommen, nach Hause zurückzukehren, und der Engel war auf der Erde geblieben. Und der Engel hatte noch immer nicht gehorcht, denn er war in seinen eigenen Untergang verstrickt, hatte sich in einer Besessenheit verfangen, die seine Vernichtung bedeuten würde. Die Unausweichlichkeit seines Falls war vielleicht vorherbestimmt. Der Engel wollte gehen, um nicht in Ungnade zu fallen, aber er konnte nicht gehen, da seine Wut ihn auf der Erde festhielt.
Und dann hatte er zu lange gewartet. Es war zu spät.
Ungehorsam. Die eine, unverzeihliche Sünde der Engel. Luzifer war gestürzt, weil er ungehorsam gewesen war. Er hatte persönliches Verlangen über die Gewissheit des
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