Angel 01 - Die Engel
erkannt, wie sehr ich mit dir zusammen sein will, wie sehr ich will, dass du zu mir gehörst. Du hast ja keine Ahnung, wie eifersüchtig ich war. Ich hatte Angst vor mir selbst. Ich wollte diesen Jungen töten, und zwar noch bevor ich die Waffe in seiner Hand gesehen habe. Eigentlich war ich sogar erleichtert, als ich sie gesehen habe. Wie in diesem alten Witz: Ich hatte etwas Schlimmeres erwartet als eine Konfrontation auf Leben und Tod. Ich hatte erwartet, euch beide … egal.«
Sie lächelte schwach und nahm seine Hand.
» Alles klar, ich weiß Bescheid.«
Der Gedanke daran, dass sie nackt hier auf dem Bett lag und ihre langen Beine um die Hüften eines anderen schlang, erregte ihn. Er schämte sich dafür, dass sein Unterbewusstsein solche Gedanken zuließ, aber so war es nun einmal, also fragte er sie rau, ob sie mit ihm schlafen wolle.
Sie sagte: » Ja, natürlich«, und zog sich für ihn aus, dann fielen sie in einen sanften, gefühlvollen Rhythmus, und als sie fertig waren, weinte sie. Er wusste, dass er sie gar nicht nach dem Warum fragen musste, denn seiner Erfahrung nach wusste sie es selbst nicht. Also hielt er sie einfach im Arm, bis sie sich beruhigte. Er hatte schon vor langer Zeit akzeptiert, dass es nicht immer Antworten gab, wenn es um menschliche Emotionen ging.
Anschließend lagen sie zusammen in der Dunkelheit und redeten.
» Heute ist die Wache abgebrannt«, erzählte er.
» Ich weiß, ich habe es in den Nachrichten gehört.«
» Die meisten von den Jungs …«
» Ich weiß, ich weiß.«
» Er hat einen Fehler gemacht, Vanessa, das spüre ich. Danny hat das zuerst festgestellt, aber dieses eine Mal bin ich seiner Meinung. Der Irre ist zu weit gegangen. In dem Gebäude gab es keine Dämonen. Er hat es einfach abgefackelt, um an Danny und mich ranzukommen.«
» Meinst du wirklich?«
» Ja. Ich hoffe, dass sich daraus irgendetwas ergibt … ich weiß nicht, vielleicht Aufmerksamkeit von oben.«
» Und was wird dann aus deiner Rache?«, fragte Vanessa.
» Vergiss meine Rache. Wir müssen diesen Wichser einfach nur loswerden, ihn dahin zurückschicken, wo er hergekommen ist. Sollen die ihn doch auf ihre Art bestrafen. Ich will nur, dass die Zerstörung endlich ein Ende hat. Wir müssen die Scherben aufsammeln, die Bevölkerung beruhigen und anfangen, die Brandstifter abzuspritzen, wenn ihr Mentor erst mal weg ist.«
» Und was ist mit den ganzen Dämonen? Werden die dann nicht durchdrehen?«
» Wenn du mich fragst, sind die schon seit langem hier, und vielleicht macht der eine oder andere von ihnen ab und zu Ärger, aber vergiss nicht, dass sie sich hier verstecken. Sie müssen die Füße still halten. Sie sind wie die Naziverbrecher, die in Südamerika abgetaucht sind, sie müssen unauffällig bleiben, brav bleiben, egal wie hinterhältig und grausam sie in ihrer Heimat waren. Sie verstecken sich ja nicht nur vor diesem Engel, sondern vor dem Blick des Himmels.«
» Du hast das wirklich gut durchdacht, wie?«
» Heute Abend, in einer Kirche. Vielleicht hat ja jemand für mich gedacht. Und es mir dann ins Hirn eingesetzt. Wer weiß?«
» Als Nächstes erzählst du mir noch, du hättest mit Jesus geredet.«
Er erwiderte nichts, da er nicht wusste, was er darauf antworten sollte.
Manovitch war völlig entspannt. Er war mit dem Auto durch Fisherman’s Wharf gekurvt, aber jetzt hatte er angehalten, um aufs Meer hinauszuschauen. Dort draußen konnte er die Lichter von Alcatraz sehen. In der beliebten Touristenattraktion erzählte heutzutage die Stimme von Leon » Whitey« Thomson, eines ehemaligen Häftlings, den Besuchern von der schrecklichen und berüchtigten Vergangenheit der Gefängnisinsel. Whitey war in der ganzen Welt berühmt. Die Japaner, die Chinesen, Europäer, Australier, Neuseeländer, Leute aus Raratonga, Tahiti und von den Malediven, aus Afrika und Südamerika, sie alle hatten schon fasziniert Whiteys aufgezeichneter Stimme gelauscht.
Das zeigt ja mal wieder, dachte Manny, dass man nie weiß, was die Zukunft so bringt. Gestern war Whitey noch ein Verbrecher gewesen, von der Gesellschaft verachtet, und heute war seine Stimme denen der Wächter gleichgestellt und wurde von der Gesellschaft ebenso akzeptiert wie der Präsident der Vereinigten Staaten. Zeigt einem, dass Geschichte Geschichte ist und der Gangster von gestern der Held von morgen sein kann, dachte Manny. Wenn man heute etwas wirklich Schlimmes anstellte, konnte es sein, dass man morgen schon Applaus dafür
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