Angel 01 - Die Engel
schrien, damit er sie wahrnahm, und die für sein früheres Wesen abstoßend waren.
Der Schmerz der Verwandlung hielt mehrere Menschenstunden an, während derer er um Gnade flehte, wütend spuckte und fauchte, seinen Hass gegen alle Menschen und Engel hinausbrüllte, seinen Feinden den Tod an den Hals wünschte, fluchte und schreckliche Versprechen und Schwüre abgab. Als es vorbei war, fand er sich als widerwärtige, verabscheuungswürdige Kreatur wieder, ohne Reinheit der Seele, ohne Reinheit des Fleisches. Seine körperliche Erscheinung hatte sich nur wenig verändert. Bis auf die übergroßen männlichen Genitalien schien er makellos zu sein. Doch er fühlte sich wie ein hässliches, groteskes Monster.
Es verbitterte ihn, wie die Dinge sich entwickelt hatten. Er musste zugeben, dass er am Anfang nicht vorgehabt hatte, die Geschehnisse auf der Erde so durcheinanderzubringen, wie es dann geschehen war, und sich dadurch den Hass vieler Sterblicher zuzuziehen. Er hatte einfach nur Dämonen vernichten wollen, was seine Aufgabe gewesen war, seit Luzifer gestürzt war und der Krieg begonnen hatte.
Als in den Feuern auch Menschen gestorben waren, hatte er das nicht sonderlich schlimm gefunden. Immerhin befreite der Tod den Geist, die Seele, aus dem Gefängnis der körperlichen Hülle. Und das war doch bestimmt etwas Gutes? Was er nicht bedacht hatte, da es für ihn als Engel nie eine Rolle gespielt hatte, waren die körperlichen Schmerzen, die er verursacht hatte, und das emotionale Leid, das er bei den Überlebenden hervorgerufen hatte. Engel fühlten keinen Schmerz, weder emotional noch körperlich, also waren diese beiden Aspekte seiner Zerstörungswut ihm unbekannt gewesen.
War das seine Schuld? Hätte er es wissen müssen? Das Wissen über Schmerz war vorhanden, aber er hatte kein Bedürfnis gehabt, es eingehender zu untersuchen. Seine Ignoranz war sein Untergang gewesen, und ja, das war bitter für ihn. Der Schmerz in seiner Brust war stark.
Er gab immer noch diesen beiden Sterblichen die Schuld, diesen Polizisten. Sein fataler Fehler hatte darin bestanden, nach den beiden zu suchen und sie zerstören zu wollen. Diese bewusste Tat hatte die Seele in seinem Inneren zerstört.
Verdammt seien diese Polizisten, verdammt seien ihre Seelen.
Doch es war nicht an ihm, über ihre Verdammnis zu entscheiden, und eigentlich war sie das Geschenk der Polizisten an den Engel, denn sie hatten die Wahrheit über den Ehrgeiz aufgedeckt, der tief in ihm verborgen gewesen war, hatten ihm sein Licht gestohlen. Er war an die Dunkelheit gefesselt – die Strafe für seinen Ungehorsam –, und jene, die er bisher gejagt hatte, waren nun seine Weggefährten, seine Waffenbrüder. Er war zu dem geworden, was er verabscheut hatte – ein gefallener Engel, ein Dämon –, und nun wurde ihm bewusst, dass es genau das war, was sie alle gemeinsam hatten, diese Abscheu.
Dämonen lieben nicht, sie hassen, und die meisten von ihnen hassen das, was aus ihnen geworden ist: Sie verabscheuen die anderen gefallenen Engel und den Teufel. Sie folgen Satan, aber sie hassen Satan. Sie hassen die Welt, das Fleisch und alles außer Gott, denn Gott kann man nicht hassen, nur fürchten, eine distanzierte Macht, die unberührbar ist, außer durch Liebe.
Er war in Ungnade gefallen.
Er war ein Dämon geworden.
Er erkannte, dass er nun einen Namen hatte.
Nethru.
Sein Name war Nethru.
Seine Macht, durch Dunkelheit und Licht zu reisen, seine schnelle Fortbewegung durch den Raum, war verschwunden. Er war nun viel verletzlicher, sein Körper bestand nur noch aus Fleisch, Knochen und Blut.
Und er hatte Angst vor Feuer.
Was er bisher als Waffe benutzt hatte, konnte nun gegen ihn eingesetzt werden.
Nethru ging in der zunehmenden Abenddämmerung hinunter zum Hafen. Er erforschte, wie langsam seine Bewegungen nun waren, und würde wütend auf sich selbst. Auch wenn er immer noch schneller war als der fitteste Mensch, so war es doch ein wahres Schneckentempo, wenn man es mit seiner früheren Geschwindigkeit verglich. Der Nebel schob sich durch die Metallgitter und zwischen den Pfeilern der Brücken hindurch. Er lehnte sich über die Kante und starrte in das wirbelnde, fließende Wasser. Zunächst wollte er Malloch finden und sich an dem Dämon rächen, aber dann entschied er, doch die beiden Polizisten aufzuspüren, David Peters und Daniel Spitz.
» Hey, Sie da!«
Nethru drehte sich um und sah sich drei jungen Männern gegenüber, alle in weiten Jacken.
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