Angel 01 - Die Engel
Irgendein Fantasieland, wo die Leute, die man mag, einem nicht einfach wegsterben …«
Aus dem Hörer drang ein Schluchzen.
Dave sagte: » Danny …?«
Wieder ein langes Schweigen. Dave fragte sich, ob er den Hörer hatte fallen lassen.
» Danny?«
Jetzt war die Stimme hart und wütend. Danny bekam die Worte kaum über die Lippen. Dave konnte sein Gesicht vor sich sehen, verkrampft und rot vor Wut, wie damals, als sie diese Sechsjährige gefunden hatten, die vergewaltigt und deren Kehle durchgeschnitten worden war, um sie zum Schweigen zu bringen, bevor ihr Körper in einem Müllcontainer gelandet war.
» Ich will diesen Kerl kriegen, selbst wenn es mich umbringt. Rita und ich, na ja, wir haben uns nicht geliebt … nicht so wie du und Celia … aber wir waren auf dem Weg dahin, verstehst du? Sie war ein großartiges Mädchen, und irgendwie wird dieses Arschloch dafür bezahlen, oder ich stecke meinen Kopf in den Fleischwolf.«
» Wir werden ihn kriegen, Danny. Wir werden ihn kriegen, für Celia und für Rita. Irgendwie. Irgendeine Schwachstelle muss er einfach haben.«
» Wenn ich mit ihm fertig bin, wird er mehr als eine Schwachstelle haben.«
» Das wird schon, das wird schon.«
Dave spürte, dass Danny sich langsam beruhigte und sich wieder unter Kontrolle bekam. Es dauerte lange, bis der kleine Mann wütend wurde, und er regte sich immer schnell wieder ab. Deshalb war er auch so ein guter Partner. Er verlor in Stresssituationen nicht den Kopf, und wenn ihn etwas aufregte, verwandelte sich seine Wut in kühle Entschlossenheit, noch bevor er einen Tatort verließ.
» Ja, also, ich muss mich um Ritas Beerdigung kümmern, na ja, was eben noch von ihr übrig ist. Und ich muss ihre Mutter anrufen. Darauf freue ich mich echt nicht.«
» Okay, wir hören uns später.«
» Alles klar.«
Plötzlich kam Dave ein Gedanke und er sprang alarmiert aus dem Bett.
Der fette Student, der in Vanessas Vorlesung über » Die Natur des Bösen« in der hintersten Reihe saß, war schon wieder eingeschlafen. Dafür war sein Gegenstück mit dem fusseligen Bart hellwach. Dieses Paar verursachte Vanessa immer Kopfschmerzen, da der eine ihren Ausführungen überhaupt keine Aufmerksamkeit schenkte, der andere wiederum zu viel. Fusselbart war einer von denen, die mit verschränkten Armen ganz vorne saßen und stets alles infrage stellten, was die Dozenten erzählten. Er wusste über jedes Thema besser Bescheid als irgendein anderer Sterblicher auf diesem Planeten.
» Eigentlich«, führte Fusselbart gerade aus, » ist doch das böse, was wir in unserer Gesellschaft so bezeichnen. Wenn wir Mord böse nennen und auch daran glauben, dann ist Mord böse. Doch wenn Mord ein allgemein anerkannter Weg wäre, in einer überbevölkerten Welt die Herde auszudünnen, oder irgendein rituelles Opfer – wie bei den Azteken –, na ja, dann ist er doch nicht böse, oder? Ich meine, was ist denn mit Krieg? Männer werden zu Helden, indem sie im Krieg töten.«
» Wir sprechen hier aber nicht darüber, dass einfach nur getötet wird. Wir sprechen von Mord, von einer gesetzeswidrigen Tötung. Und glauben Sie nicht, dass wir ein instinktives moralisches Gespür haben? Wie Sie bereits sagten, wird das Töten im Krieg befürwortet, aber bedeutet das auch, dass die Menschen, die unter diesen Umständen töten, keinerlei Schuld oder Reue verspüren? Ich bin der Meinung, dass wir in enormen Schwierigkeiten stecken würden, wenn der Homo sapiens nicht über ein innewohnendes Bewusstsein von Richtig und Falsch verfügen würde.«
Der Student lächelte selbstzufrieden.
» Lady, wir stecken doch bereits in enormen Schwierigkeiten. Lesen Sie denn keine Zeitung? Momentan werden mehr als ein Dutzend Kriege geführt, und es passiert wahrscheinlich ungefähr ein Mord pro Minute.«
Ihre Stimme wurde kalt und versuchte, ihn einzufrieren.
» Ich bin keine Lady. Für Sie bin ich Ms. Vangellen.«
Der Junge zuckte mit den Schultern und schaute sich unterstützungheischend um, die aber nicht kam. Trotzdem änderte er weder seine Miene noch seine Einstellung.
» Also gut, Miss Vangellen. Tut mir leid, wenn ich Ihnen auf die Zehen getreten bin.«
Sie ging zu seinem Tisch, stützte sich mit beiden Armen auf und brachte ihren Mund ganz nah an sein Ohr, damit die anderen Studenten nicht hören konnten, was sie sagte: » Jetzt hör mir mal gut zu, du kleiner Scheißer: Mein Freund ist ein Cop, und ich denke, er wüsste wirklich gerne, was du da zwischen die
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