Angel City Love (German Edition)
wäre. Ich hab das alles vorher in meinem Kopf gesehen und das ist ja wohl nicht möglich.« Aus dem Augenwinkel bemerkte sie Jacksons überraschten Gesichtsausdruck. Er hatte seine Tasse abgestellt und sah sie jetzt forschend an. »Also, wer waren sie wirklich?«, fragte sie leise.
Jetzt drehte sich Kevin um und begegnete ihrem Blick. Jacksons Augen huschten zwischen ihnen hin und her. Kevin kam mit einer der Kerzen zum Tisch, stellte sie in die Mitte, setzte sich und blickte in die Flamme, sodass sich das flackernde Licht in seiner Brille spiegelte. Maddy merkte plötzlich, dass sie die Luft angehalten hatte.
»Ich habe mich immer gefragt, ob dieser Tag jemals kommen würde«, meinte er schließlich. »Ich war mir fast sicher, dachte aber nicht, dass es so früh passieren würde, und gewiss nicht unter diesen Umständen. Ich habe deinem Vater gesagt, es sei nicht fair, dass ich es dir erzählen müsste. Doch er war froh, dass ich es übernehmen würde. Dass ich immer so gut zu dir gewesen wäre. Jetzt bin ich mir da gar nicht mehr so sicher.«
Im flackernden Kerzenschein blickte Maddy ihren Onkel an. Vor ihr saß der Mann, der sich stets um sie gekümmert, für sie gesorgt hatte, ihr ganzes Leben lang. Mit einem Mal hatte sie das Gefühl, ihn gar nicht zu kennen. Oder zumindest war ihr ein Teil von ihm fremd. Auf einmal sah er in ihren Augen viel älter aus. Irgendwie ausgemergelt. Sein Gesicht war von tiefen Sorgenfalten durchfurcht.
»Bitte«, flüsterte sie. »Ich muss es wissen.«
»Bist du dir auch ganz sicher, dass du die Geschichte hören willst?«, fragte er, und sein Ausdruck verdüsterte sich. »Wenn ich sie dir erzähle, dann werde ich nichts weglassen. Ich werde nichts beschönigen. Und lass dir gesagt sein, das wird nicht immer angenehm sein.« Auf Kevins Brille spiegelte sich das Kerzenlicht, sodass ein bernsteinfarbenes Funkeln an die Stelle seiner Augen trat. Maddy dachte kurz nach, dann nickte sie. Jackson saß angespannt daneben.
»Also gut«, erklärte Kevin. »Wo fange ich am besten an? Mit den Engeln, schätze ich.« Maddys Onkel stand auf und ging zum Küchenschrank hinüber.
»Du solltest aus dem Geschichtsunterricht in der Schule von dem Erwachen wissen, als die Engel sich uns offenbarten? Und du weißt sicher von dem System ›Schutz-gegen-Bezahlung‹ und den Erzengeln der NGE ?«
»Ja, natürlich«, bestätigte Maddy, da sie sich nur zu gut an die langweiligen Vorträge von Mr Rankin erinnerte.
Kevin hatte begonnen, die restlichen Tassen aus dem Schrank zu räumen und sie auf der Arbeitsfläche abzustellen. Maddy fragte sich kurz, was er wohl vorhatte. Ein Luftzug wehte durchs Haus, der die Kerzen flackern ließ. Vor Maddys Augen entfernte Kevin die Rückwand des Schranks und brachte etwas zum Vorschein, das nach einem alten Notizbuch aussah. Maddy bekam Herzklopfen. Sie hatte dieses Buch noch nie gesehen. Wieso war es hinter dem Schrank versteckt?
Kevin kam damit an den Tisch, setzte sich und legte es vor sich.
»Vor etwas weniger als zwanzig Jahren gab es einen jungen Schutzengel, ein Geborener Unsterblicher, wie sie das nennen, der gewissen radikalen Ideen anhing. Er war der Ansicht, die Engel wären zu korrupt geworden und das System mit ihnen. Er fand, die Engel sollten wieder dazu übergehen, ihre Wunder anonym zu vollbringen, und zwar kostenlos.«
Kevin schlug das knarzende Buch auf und fing an, durch die spröden Seiten zu blättern. Da waren Fotos von Leuten, die Maddy noch nie gesehen hatte. Junge, wunderschöne Gesichter, die ihr aus den Seiten entgegenblickten. Jackson reckte den Kopf, um ebenfalls einen Blick zu erhaschen. Bei einem verblichenen Bild von einem jungen Engel hielt Kevin inne. Maddy erkannte ihn nicht, doch war sie sofort gefesselt von ihm. Er hatte freundliche Augen und eine stattliche Statur.
»Ist er das?«, fragte Maddy und tippte auf das Foto.
»Ja, das ist er«, bestätigte Kevin. »Das ist Jacob Godright.« Er deutete auf einen hübschen Mann Anfang zwanzig, der neben ihm stand. »Und er hier ist ein junger Menschenrechtsaktivist namens Teddy Linden.«
»Der Senator?«, fragte Jackson fassungslos. »Er hasst die Engel.«
»Zumindest hasst er das, was aus ihnen geworden ist. Das war damals eine andere Zeit und ein anderer Ort. Seht ihr, Jacob Godright und seine Gefolgschaft waren überzeugt, dass Engel und Menschen als Gleichrangige leben, zusammen arbeiten und sogar gemeinsam Familien gründen sollten. Um diese Forderungen zu
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