Angel Eyes. Zwischen Himmel und Hölle (German Edition)
schießt, und schließe die Augen. Nur zwei Instanzen gibt es im Höllenreich, die mich auf die Weise zu sich beordern können.
Bitte lass es Beherit sein.
Mit einem Knall treffen meine Füße auf, unter ihnen glattes Gestein. Ich öffne die Augen. Meine Hoffnung verfliegt. Panik steigt in mir auf. Denn vor mir steht leider nicht mein Chef. Stattdessen bin ich in Schloss Pandämonium gelandet, und vor mir befindet sich der mit reichen Schnitzereien versehene Thron aus schwarzem Obsidian, der König Lucifer gehört. Er steht auf einem hohen Podest inmitten des großen Saals mit dem hohen Deckengewölbe.
Der Thron ist unbesetzt.
Nervös schaue ich mich nach Ihm um, doch das Licht der vielen Kerzen, das von den glatten schwarzen Obsidian-Wänden zurückgeworfen wird, blendet mich, und ich kann nicht viel erkennen. Bin ich allein? Vollkommen reglos stehe ich da. Um meine Nerven zu beruhigen, atme ich den intensiven Schwefelgeruch tief ein und zucke zusammen, als Seine Stimme leise in mein Ohr zischt.
«Du hast sie gefunden.» Es ist eine Feststellung, keine Frage.
Ich fahre herum, aber niemand steht hinter mir. Doch dann spüre ich Ihn – spüre seinen Blick. Beklommen schaue ich in die Höhe – und entdecke Ihn ganz oben unter der Decke. Sorgfältig achte ich darauf, Ihn nicht direkt anzusehen. Stattdessen konzentriere ich mich auf Seine gewaltigen Fledermausschwingen, die sich langsam auf und ab bewegen, während Er sanft zu Boden schwebt. Mit gesenktem Kopf falle ich auf ein Knie.
Wie der Thron besteht auch der Fußboden aus schwarzem Obsidian. Er ist so glänzend poliert, dass ich darauf Sein Spiegelbild erkenne: eine übermächtige Gestalt mit dampfender schwarzer Lederhaut. Es ist, als sauge Er sämtliches Kerzenlicht auf, nur um es in den grünen Katzenaugen zu bündeln, die in Seinem spitzen Gesicht glühen. Seine gedrehten blutroten Hörner sind von einer goldenen Stachelkrone umwunden. Als Sein Pferdefuß den Boden berührt, faltet Er die Flügel zusammen und kommt mit lautlosen Schritten auf mich zu. Ein Panther, der sich seiner Beute nähert.
«Ja, mein Herr», antworte ich.
«Und du bist sicher, dass sie die ist, die wir suchen?» Als ich die gezischte Frage höre, läuft es mir kalt über den Rücken. Und das bei einer Raumtemperatur von ungefähr zweitausend Grad.
Erst in diesem Augenblick wird mir bewusst, dass ich nicht genau weiß, ob Frannie Diejenige ist. Nicht den winzigsten Beweis habe ich in den Händen. Wie immer habe ich mich auf meinen Instinkt verlassen, denn der hat mich noch nie in die Irre geführt. Wie dem auch sei, jetzt ist nicht der passende Moment für Selbstzweifel!
«Ja, mein Herr», entgegne ich demütig und wehre mich gegen den Impuls, Ihn nach seinem Interesse an Frannie zu fragen.
Er tritt dichter an mich heran. Das spüre ich an der knisternden Elektrizität und den zahllosen heißen Blitzen, die auf mich herabregnen. Vorsichtshalber mobilisiere ich meine Macht.
«Steh auf!» Ich tue, wie mir befohlen. Er besteigt die Stufen zu Seinem Thron und lässt sich darauf nieder. Als Nächstes verwandelt Er sich in Seine menschliche Gestalt, das heißt, Er wird so eine Art Zeus, mit langem weißem Haar und Bart, kantigem Gesicht und fließendem roten Gewand, das Seinen kräftigen Körper umspielt. Nur die grünen Katzenaugen bleiben gleich und betrachten mich ungehalten.
«Wie lang muss ich noch warten?», poltert Er mit Seiner menschlichen Stimme.
«Nicht mehr lang, mein Herr.» Dass Gabriel mir dazwischenfunkt, muss ich ja wohl nicht beichten.
«Ausgezeichnet.» Anschließend schweigt Er, sodass ich hoffe, das war’s, und ich werde entlassen. Doch dann durchdringt Sein Blick meinen gesenkten Schädel, jetzt bin ich ernsthaft besorgt. «Lucifer», beginnt Er nachdenklich. «Ich glaube, man hat dich unterschätzt. Beherit knausert mit Lob, doch mir scheint, du bist ein sehr guter Akquisiteur.»
Wieder legt Er eine Pause sein. Plötzlich fühle ich mich noch unwohler als sowieso schon, ich frage mich, worauf er hinauswill. Er verlässt Seinen Thron und schreitet mit majestätisch wallendem Gewand über die Stufen nach unten. Pure Show, wenn er wollte, wäre er im Bruchteil einer Sekunde unten. Doch als er vor mir steht, schlägt mir das Böse seines Wesens entgegen, sickert in mein Gehirn und vernebelt meine Gedanken.
«Sieh mich an, Lucifer.»
Ob ich will oder nicht, diesem Befehl muss ich gehorchen. Ich hebe den Blick, schaue in Seine Augen und wappne mich.
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