Angel Eyes. Zwischen Himmel und Hölle (German Edition)
Läuterungsberg in die Hand, die ich dort aufgeschlagen habe liegenlassen. Für Dante habe ich eine Schwäche, schließlich bin ich damals seine Muse gewesen. Frannie blättert durch die Seiten. Verblüfft schaut sie mich an. «Das ist ja auf Spanisch.»
«Italienisch», verbessere ich sie.
«Sprichst du etwa Italienisch?», fragt sie ungläubig.
«Sì.»
«Dann sag mal was.»
«Sii la mia schiava d’amore», sage ich in schmachtendem Ton.
«Was heißt das?», fragt sie misstrauisch.
«Das bleibt mein Geheimnis», lächele ich. Wahrscheinlich würde es ihr nicht gefallen, wenn ich sie bäte, meine Liebessklavin zu werden.
Frannie zieht die Brauen zusammen, sagt aber nichts. Sie legt das Buch beiseite und nimmt ein anderes aus dem Regal. Es ist der erste Band von Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit . Als sie es aufschlägt, stutzt sie. «Kannst du etwa auch Französisch?»
«Oui.»
«Wie viele Sprachen sprichst du denn?»
Alle. «Ein paar.»
Frannie stellt den Proust zurück, geht zum Fenster und schaut auf den Parkplatz hinunter. Als sie sich wieder umdreht und merkt, dass sie direkt neben dem Bett steht, tritt sie eilig beiseite. Zwischen meiner Stereoanlage und dem bis zur Decke reichenden Regal, das einen Großteil der CDs der letzten Dekaden enthält, lehnt sie sich an die Wand. Ihr Blick bleibt an dem Wandgemälde hinter dem schmiedeeisernen Kopfteil meines Bettes hängen. Es ist ziemlich eindrucksvoll und zeigt meine Heimat. Eine eher spärlich bewohnte Region des Höllengrunds, weit entfernt vom Höllentor, dort, wo der Feuersee auf die hohen Steinwände der Hölle trifft.
Ihre Neugier siegt; sie geht zum Bett hinüber und greift nach einem der Pinsel, die mit meiner Palette und den Farbtuben in der Ecke liegen. «Wer hat die Wand bemalt?»
«Ich.»
Frannie fährt zu mir herum. «Nie im Leben.»
Mit stolzem Lächeln sehe ich zu, wie sie mit dem Finger am Rand einer bläulichen Flamme entlangfährt, die aus dem roten Lavasee emporzüngelt.
«Das ist wirklich heftig. Ziemlich verstörend, aber auch irgendwie cool. Was soll das sein?»
«Die Hölle.»
Langsam dreht sie sich zu mir um und studiert mein Gesicht. «Und wo sollen wir arbeiten?», fragt sie schließlich und schaut sich um.
Lächelnd nicke ich zum Bett hinüber.
Obwohl es in meiner Wohnung alles andere als kalt ist, überläuft Frannie ein Frösteln. Zur Stärkung trinkt sie einen großen Schluck Bier. Dann öffnet sie ihre Tasche, zieht ihr Heft hervor, setzt sich auf den Teppich, der das Bett umgibt, und trinkt noch einmal.
Ich schiebe eine CD von Linkin Park in die Stereoanlage und stelle die Musik gerade so laut, dass ich den Bass in den Knochen spüre.
«Wo ist dein Fernseher?», erkundigt sich Frannie.
Ich lasse mich neben ihr auf dem Teppich nieder. «Ich habe keinen.»
«Aber du hast doch gesagt, dass du oft den History Channel schaust und darum so viel über Geschichte weißt.»
Stimmt. Verflixt. «Ich hatte einen. Aber jetzt ist er kaputt.»
«Ach so.» Frannie holt Früchte des Zorns hervor. «Ich glaube, wir fangen mit Tom an. Was meinst du, sollte er tun?»
«Nichts. Er gehört ins Gefängnis.» Und danach in die Hölle. «Etwas anderes hat er nicht verdient.»
Frannie trinkt den letzten Rest Bier. Schnell stehe ich auf und gehe zum Kühlschrank. Als ich zurückkehre, befinden sich die nächsten beiden Bierdosen in meinen Händen. Ich reiße die Lasche ab und gebe Frannie ihr Bier, dabei streifen meine Finger wie zufällig ihr Handgelenk. Frannies Augen weiten sich, und ihr Atem stockt. Sind meine Finger zu heiß gewesen? Ich muss wirklich mehr darauf achten, meine Körpertemperatur zu regulieren. Aber dann schlägt mir eine heftige Ingwerwolke entgegen …
Die direkte Vorgehensweise scheint mir doch der bessere Weg zu sein. Abgesehen davon hat das indirekte Verfahren genervt und wäre beinah schiefgegangen. Gut, dass ich das wieder hingebogen habe. Denn jetzt ist Frannie hier. Bei mir.
Allein.
Bei dem Gedanken an das, was passieren könnte, lädt mein Körper sich auf.
Frannie trinkt einen Schluck Bier. «Ich verstehe nicht, weshalb du so hart bist, was Tom angeht. Was hat er dir denn getan?»
Ich muss lachen. Wäre er keine fiktive Figur, würden wir vermutlich beste Freunde sein. «Lass mich nachdenken. Mir persönlich nichts. Andere dagegen hat er bestohlen oder umgebracht. Aber das ist ja nicht weiter schlimm.»
Frannie schaut mich entsetzt an. «Sag mal, hast du das Buch überhaupt
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