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Angela Merkel – Die Zauder-Künstlerin (German Edition)

Angela Merkel – Die Zauder-Künstlerin (German Edition)

Titel: Angela Merkel – Die Zauder-Künstlerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolaus Blome
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Zeit gewinnen für sorgfältig durchdachte Konsequenzen aus dem Jahrhundert-Unfall auf der anderen Seite des Globus. Doch das ist nicht wahr, und der BILD -Kommentar eine Woche nach dem GAU sagt voraus: »Machen wir uns nichts vor. Fast die Hälfte der deutschen Atomkraftwerke ist nicht ›vorläufig‹ vom Netz, sondern für immer.« Dabei hatte die schwarz-gelbe Bundesregierung gerade erst die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke deutlich verlängert, auch die der älteren.
    In fast acht Jahren Kanzlerschaft ist es die krasseste Kehrtwende Angela Merkels in einer konkreten politischen Frage, kein Zweifel. Aber ist es auch eine unter ganz vielen solcher Polit-Volten, wie ihre Kritiker nicht müde werden zu sagen? Macht Angela Merkel in Wahrheit Regierungspolitik nach (tagesaktuellen) Umfragewerten: Wenn die sich drehen, dreht sie einfach mit, rückgrat- und überzeugungslos?
    Um eine Antwort zu finden, muss man ein bisschen sortieren, denn es gibt sehr unterschiedliche Arten von »Kehrtwenden«. Zum einen jene, die urplötzlich mit allem brechen, was bislang galt. Zweitens die, bei denen auch eine Kanzlerin (gerade im EU-Kreis) von anderen Mehrheiten überrollt oder zum Rückzug gezwungen wird, sich also nicht durchsetzen kann – und das schlucken muss. Und schließlich alle Fälle, in denen Kanzlerin oder Partei eine Art »Frontbegradigung« vornehmen, man könnte auch sagen: dazulernen. Weil die Realität objektiv nicht mehr zum eigenen Kurs passt.
    Zu dieser dritten Kategorie zählen ganz offenkundig die meisten innen- und gesellschaftspolitischen Positionsveränderungen unter Angela Merkel, etwa bei Wehrpflicht-Aussetzung, Familien-Bild, Ausländer-Politik, Schul-System. Wie an anderer Stelle in diesem Buch schon dargestellt: An der Hauptschule weiter zu hängen, obwohl es vielerorts nicht mehr genug Schüler dafür gibt, das wäre nicht prinzipientreu, sondern realitätsblind. Solche Vorwürfe muss ein selbstbewusster Politiker nicht fürchten.
    In der mittleren Kategorie von zumeist erzwungenen Positionswechseln sticht die Griechenland- und Eurokrise hervor. Fakt ist: Sowohl im Mikro- wie im Makro-Management der Krise hat Angela Merkel nicht wenige Positionen im Laufe der Zeit geräumt, das Ganze erinnert an ein zähes Rückzugsgefecht. Im Großen wollte sie anfangs keine europäische »Wirtschaftsregierung«. Inzwischen treibt Merkel genau diese engere Koordination der Wirtschafts- und Finanzpolitik unter den Euro-Staaten energisch voran. Sie wollte auch keine große EU-Vertragsänderung, jetzt soll sie alsbald kommen. Im Kleineren lehnte Merkel dauerhaft installierte Rettungsschirme zunächst ab, dann kam es mit dem ESM anstelle des EFSF doch so. Sie war im Grunde für automatische Sanktionen gegen Defizit-Sünder in der Euro-Zone, für hohe Zinsen auf Rettungskredite, gegen einen Schuldenschnitt für Griechenland, gegen eine Streckung der Reform- und Sparprogramme, gegen eine EU-weite Bankenaufsicht und gegen massive Aufkäufe von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank.
    Inzwischen ist jeweils das Gegenteil eingetreten. Besser: Merkel hat das Gegenteil eintreten lassen, denn aktiv betrieben hat sie die wenigsten der genannten Punkte. Als zum Beispiel EZB -Chef Mario Draghi im Herbst 2012 erklärt, er werde notfalls unbegrenzt Staatsanleihen von wankenden Euro-Staaten aufkaufen, hat sie »doch nur aktiv weggeguckt«, wie ein Bank-Chef später spottete. Auch die Opposition feixt mit einem gewissen Recht über das »Merkel’sche Gesetz«: Immer wenn die Kanzlerin etwas definitiv ausschließe, könne man sicher sein, dass es am Ende genau so einträte. Das zielt freilich weniger auf einen Mangel an Prinzipientreue als auf einen an Durchsetzungsfähigkeit, also nicht aufs Charakterliche, sondern aufs Politisch-Praktische.
    Aber, Vorsicht. Zur ganzen Wahrheit gehört auch: Nur ganz, ganz wenige ihrer ursprünglichen Positionen lassen sich in eindeutigen Zitaten belegen, und Hauptstadt-Journalisten aller Blätter haben schon viele Stunden vergeblich im Textarchiv zugebracht, um solche zu finden. Viel wichtiger: In dieser Euro-Krise völlig neuen Ausmaßes und Zuschnitts musste noch jeder Politiker in jedem EU-Land diverse seiner Positionen räumen, nicht zuletzt der SPD -Kanzlerkandidat und Ex-Finanzminister Peer Steinbrück. Manchmal war der Druck der anderen Mitgliedsstaaten zu groß, manchmal der der Märkte oder der vorausgegangener Fehlschläge. Ganz allein Angela Merkel deshalb Beliebigkeit

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