Angela Merkel - Ein Irrtum
im Grundgesetz festgehalten. Und das Grundgesetz gilt auch dann, wenn der Kanzler eine Frau ist.« 19
Sie genießt ihre Rache kalt. Der Rest ist Spott und Ironie.
Merkels Neujahrsansprache zum Jahr der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland: »Die Frauenfußball-Nationalmannschaft ist ja schon Weltmeister, und ich sehe keinen Grund, warum Männer nicht das Gleiche leisten können wie Frauen.«
Wunderbar. Da fand ich sie wieder klasse.
Ja, Angie hat es ihnen gezeigt, den Männern. Das kann nicht jede. Und ich gebe zu: Ich habe es genossen. Aber musste sie dafür Tina werden, die Alternativlose, die Frau mit dem Entscheidungsstau und der »neuen sozialen Wärme«?
Henry Kissinger sagte nach einem persönlichen Gespräch mit ihr: »Wir beobachten eine neue Leaderfigur, die auf ihrem Weg nach oben systematisch unterschätzt wurde und plötzlich als der perfekte Ausdruck ihrer Zeit erscheint.«
Das, finde ich, ist nicht nur ein Kompliment.
Von der Naturwissenschaftlerin zur Mutti
Je länger ich mich mit der Angela Merkel der frühen Jahre beschäftige, desto nostalgischer wird mir zumute. Was für ein seltener Vogel sie war! Wie erfrischend die Sturheit, mit der sie an ihrer äußeren Erscheinung festgehalten hat!
Zugegeben, seit sie um das Jahr 2002 herum begonnen hat, auch Frisur und Styling ernst zu nehmen, und erst recht, seit sie in Amt und Würden ist, macht sie mehr her. Für solch unverwechselbare Charaktere wie Golda Meir oder Madeleine Albright fehlen ihr Alter und Falten. Insofern spricht nichts dagegen, dass die Frisur sitzt und das Make-up ihre Vorzüge betont. Fotos und vor allem das Fernsehen sind grausame Medien, und niemandem ist anzuraten, sich ihnen ohne den Schutz eines guten Make-ups auszusetzen. »Maske« nennt man das bezeichnenderweise noch heute.
Auch sind ihre Repräsentanten dem Volk etwas schuldig: nämlich es angemessen zu vertreten. Insbesondere ihre außenpolitischen Auftritte haben Merkels Renommee gestärkt. Nicht nur, weil sie hervorragend Englisch und Russisch spricht, sondern weil sie würdig aussieht, wenn sie im langen schwarzen Mantel über den roten Teppich geht oder eine Ehrenformation abschreitet.
Und dennoch wünscht man sich, sie wäre länger jene Zumutung geblieben, die sie einmal war. Gerade ihre kühle Ausstrahlung unterschied sie von den anderen. Sie hatte den semantic turn der 80er-Jahre, den Betroffenheitskult, nicht mitbekommen – wie sollte sie auch: die »Politik in der 1. Person«, das Menscheln, den human touch . Und genau das tat mir und anderen gut.
Mit dem Siegeszug der Grünen und mit der gewachsenen gesellschaftlichen Akzeptanz von »68« sowie seiner mythischen Verklärung, mit der Welle der political correctness , die aus den USA herüberschwappte und Sprachregelungen zu einer Frage der Moral machte, hat sich die Sprache der Politik verändert.
Die Rede vom »Sachzwang«, von Pflicht, Verantwortung und Ordnung, überhaupt die Forderung nach Sachlichkeit in der Auseinandersetzung, nach Argumenten anstelle der Subjektivität und Zufälligkeit von Gefühlen, nach Regeln statt Relativismus ist längst passé. Politiker sollen, im Gegenteil, Gefühle haben und eben dadurch »glaubwürdig« sein, was uns Bataillone von Glaubwürdigkeitsdarstellern beschert hat. Die reden nicht von Pflicht und Dienst, sondern bekennen sich zu unbändiger »Lust« auf Politik. 20 Seither verschont uns kaum ein Politiker mit Geständnissen, was für ein Mensch er oder sie ist. Nicht was einer vorhat und was er macht, ist interessant, sondern wie er ist und was er fühlt.
Und deshalb darf ein moderner Politiker auch fehlbar sein, solange er »Mensch« dabei bleibt. Oder sagen wir besser, solange es nicht die Parteigenossen sind, die ihn mit
ein paar gezielt gestreuten Gerüchten aus dem Geschäft drängen wollten.
In einer Mediengesellschaft werden pausenlos Geschichten erzählt. Geschichten sind radikal subjektiv, sie handeln vom »konkreten Menschen«, wie gern gesagt wird, und sollen Gefühle wecken. Meistens klappt das, oft wird daraus gefühlstriefende Propaganda.
Egal: Gefühle schaffen Aufmerksamkeit. Gefühle sind wahr und nicht zu widerlegen. Zahlen, Daten, Fakten dagegen sind kalt und gefühllos. Sie relativieren. Und sie machen Mühe. Sich zu seinen Gefühlen bekennen hingegen kostet höchstens ein klein wenig Überwindung, aber keine Fleißarbeit und schon gar keine Denkarbeit.
Geschichten, die Gefühle erzeugen, sind unschlagbar. Jeder im
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