Angela Merkel - Ein Irrtum
geworden
war, sagte sie auf die Frage, was für sie lustvoll sei an der Macht: »Früher hätte ich gesagt: dass man Politik gestalten kann. Jetzt würde ich sagen: dass man anderen wieder etwas abjagt. Darauf, Schröder im übertragenen Sinn in die Ecke zu stellen, freue ich mich. Das ist so ein bisschen wie Schiffe-Versenken. Wenn ich einen Treffer lande, finde ich das unheimlich toll.« 16
So viel Rachsucht? Und so viel Ehrlichkeit, das kindliche Vergnügen daran auch noch einzugestehen?
Nun, sie hat Schröder in die Ecke gestellt – mit allen Waffen, auch denen der Frau. Denn Angela Merkel war lange nach ihrer Zeit als Frauenministerin ein neues, mächtiges Bündnis eingegangen, nicht mit den Frauen, die ihr noch immer übel nahmen, dass sie den spezifischen westdeutschen Feminismus nicht verstand. Sondern mit den erfolgreichen, prominenten, den mächtigen Frauen der Bundesrepublik.
»Mehr für Merkel« hieß die Initiative, die im amerikanischen Stil Wahlkampf machte und auf Abendessen, bei Salons und Empfängen einflussreiche Menschen mit Angela Merkel zusammenbrachte. Viele der Gäste trugen hinterher einen schmucken Anstecker, mit dem sie sich zu Merkel bekannten: Ein strassbesetztes »V« für »Victress«, die Siegerin. Unter ihren prominenten Unterstützern waren Kristina Gräfin Pilati, immerhin Gattin des ehemaligen SPD-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten Rudolf »Bin Baden« Scharping, die Medienunternehmerinnen Friede Springer und Liz Mohn (Bertelsmann), Patricia Riekel, die Chefin der »Bunten«, und viele andere.
»Merkel gegen Schröder, das war für viele dieser Frauen weit mehr als ein Kampf von Parteien. Es war ein Kampf der Kulturen«, meint Merkels Biograf Hajo Schumacher. 17 Angela Merkel nahm endlich die strategischen Vorzüge der Frauenrolle an. Sie konnte sich als Gegenentwurf präsentieren, als Alternative zu den großmäuligen und eitlen Politikerdarstellern wie Schröder, Fischer und Lafontaine, deren man überdrüssig war.
Zwei Kulturen standen 2005 also zur Wahl. Und ich habe, wie viele andere auch, geglaubt, dass insbesondere die weiblichen Wähler den Kulturwandel wollten – und die stellen mit 52 Prozent immerhin die Mehrheit der Wahlberechtigten.
Viele Journalisten und die meisten Meinungsforscher sagten Angela Merkel einen strahlenden Sieg voraus. Man irrte sich. Das Wahlergebnis zeigte, dass sie ausgerechnet bei Frauen nicht ankam. Gerade einmal 35 Prozent aller Wählerinnen votierten in der Bundestagswahl für sie. Vor allem bei den 30- bis 44-jährigen Ostdeutschen zog Angie nicht. Deutlicher noch war die Ablehnung aufseiten der weniger qualifizierten Frauen.
Der Schluss kühl kalkulierender Wahlkampfstrategen leuchtet ein: Im Konfliktfall orientieren sich auch heute noch Frauen eher am auftrumpfenden Männchen denn an anderen Frauen, vor allem dann, wenn sie selbst sich schwach fühlen. Dann bevorzugen sie die breite Brust, die Schutz verspricht im Urwald des Lebens. Und verzeihen lieber einem Macht- und Medienmenschen wie Gerhard Schröder seine biergesättigte Frauenverachtung.
Doch dann war es gerade Angela Merkels Lieblingsfeind, dessen Machismo ihr den Weg bereitete. Sein legendärer Auftritt im Fernsehen, in der Elefantenrunde nach der Wahl, blamierte Gerhard Schröder bis auf die Knochen. »Suboptimal« nannte er zerknirscht sein Auftreten. Hinterher.
War das die List der Vernunft oder der Treppenwitz der Geschichte?
Heute tut Angela Merkel das, was die grüne UIknudel Claudia Roth 2005 streng anmahnte: »Ich erwarte von einer Kanzlerin Angela Merkel, dass sie ihr Frausein nicht versteckt. « Es dauerte zwar noch ein wenig bis zum sagenhaften Busenwunder von Oslo. Aber mittlerweile scheint Angela Merkel sogar Spaß an der neuen Rolle zu haben. Denn auch damit kann man punkten. »Mehr drauf, mehr drin.« 18
Szene: Die Koalitionsverhandlungen mit der SPD 2005. Stoiber hatte sich zu der Behauptung verstiegen, Merkel habe in einer Großen Koalition von fast gleich starken Partnern »kein klassisches Direktions- und Weisungsrecht«, eine Einschätzung, der Müntefering dankbar sekundierte: Alles andere wäre ja »nicht lebenswirklich«. Angela Merkel reagierte eine Woche später. Wie er denn die Sache mit der Richtlinienkompetenz gemeint habe, wurde Stoiber in einer Fraktionssitzung gefragt. Der blätterte verlegen in seinen Unterlagen. Endlich stand Merkel auf, blickte einen Moment auf Stoiber herab und sagte dann: »Ach, das mit der Richtlinienkompetenz ist
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