Angela Merkel - Ein Irrtum
für Deutschland? Ja, die Währungsunion ist günstig für die exportstarke deutsche Wirtschaft. Aber wäre es eine Katastrophe, wenn man die gemeinsame Währung aufgäbe?
Für die deutsche Wirtschaft nicht notgedrungen. Sie braucht eine stabile Währung, egal wie die heißt. Ein labiler Euro wäre entschieden gefährlicher, und wer kann ausschließen, dass die Transferunion genau darauf hinausläuft? 7
Es wäre nicht das erste Scheitern einer Währungsgemeinschaft, die ja nur funktionieren kann, wenn die Partner
gleiche Rahmenbedingungen mitbringen und sich an die Spielregeln halten. Doch jetzt zeigt sich, dass auch für die gefährdeten EU-Mitglieder der Euro keineswegs nur segensreich war. Er erleichterte erst die Kreditaufnahme und versperrte dann die Möglichkeit einer Währungsabwertung als Anpassungsreaktion.
Was tun? Kann Deutschland sich aus dem Zwang zur »Solidarität« und mit gehörigem nationalem Egoismus aus der EU herausmogeln, »I want my money back!« rufen und die D-Mark wieder aus der Schublade holen? Kann es seinen Wohlstand behalten, wenn es wieder auf eigene Rechnung wirtschaften darf? Und – halten wir das aus, die zu erwartende Wut auf den neuen alten deutschen »Hegemon «?
Ich weiß es nicht, ich bin nicht vom Fach. Aber eines scheint mir plausibel zu sein: Ein deutscher Alleingang müsste mit jenem nationalen Selbstbewusstsein geschehen, für das wir die Briten beneiden und die Franzosen manchmal belächeln. Dieses Selbstbewusstsein gibt es – allerdings allem Anschein nach nicht in der Regierung und vor allem nicht bei der Kanzlerin. Schade.
Fragen wir andersherum: Wie wichtig ist Deutschland für Europa? Ziemlich wichtig. Ohne einen starken Wirtschaftsmotor fällt Europa als Global Player neben China und den USA, neben Indien, Russland und Brasilien auf kurze Sicht aus. Und Deutschland natürlich mit. Nicht dass wir uns in der Nische nicht ganz wohlfühlen würden, das sind wir gewohnt. Es könnte sich allerdings auch für die sozialen Sicherheitssysteme negativ auswirken, an denen
wir ja mehrheitlich so hängen. Also zähneknirschend Ja sagen? Das würde womöglich das Elend nur verlängern.
Die Alternative wäre auch hier: Selbstbewusstsein. Wer zahlt, schafft an, sagte meine Großmutter immer. Wenn Deutschland die Probleme der anderen schultern soll, dann nicht bedingungslos. Ab jetzt, müsste eine starke, selbstbewusste Kanzlerin sagen, gelten unsere Bedingungen.
Eine starke Kanzlerin müsste allerdings auch eine Bevölkerung hinter sich wissen, die eine solche Herausforderung annehmen will und kann, womit wir wieder beim Thema wären. Auch, ach: Gerade Angela Merkel ist es nicht gelungen, die produktive, die selbstbewusste Klasse hinter sich zu scharen.
In Deutschland tummelt sich eine Vielzahl von Lobbys in eigener Sache, ein »nationales Interesse« ist nicht zu erkennen, aber das haben wir uns ja auch abgewöhnt. Moralisch sind wir gern vorn, doch machtpolitisch bitte nicht. Im Zweifelsfall wollen die Deutschen gar nicht bestimmen, wo’s langgeht. Sie wollen ihre Ruhe.
Das ist vielleicht die größte Enttäuschung, was Angela Merkel betrifft, und mein größter Irrtum: Die Frau, die einst den Mut zum Aufbruch so überzeugend verkündete, hat in Zeiten der Krise kein Projekt, keine Idee, die die Deutschen beflügeln könnte. Keine Perspektive, um aus dem, was alt gewordene Europäer wie Helmut Schmidt »Opfer« nennen, eine Herausforderung zu machen.
Opfer natürlich der Vergangenheit wegen. Dass Helmut Schmidt, Jahrgang 1918, Offizier der Wehrmacht, eingesetzt an der Ostfront, sich aus dem Schuldzusammenhang
nicht lösen kann, ist verständlich und verzeihbar. Tragisch ist eher, dass er heutzutage als großer weiser Mann völlig konkurrenzlos dasteht, wenn es ums Vorführen staatsmännischer Führungsstärke geht. Und dass keine Kanzlerin Angela Merkel (und auch kein Oppositionsführer) ein Ziel für Deutschland formulieren und die deutsche Rolle in Europa und der Welt definieren kann, die eines nicht wären – rückwärtsgewandt.
Auf dem CDU-Parteitag in Karlsruhe im November letzten Jahres zeigte sich Angela Merkel plötzlich kämpferisch. Die ihr Wohlgesonnenen in den Medien horchten auf. Macht sie ernst? Kommt nach dem ereignislosen Herbst nun endlich der Winter der Entscheidungen? Oder erklärt sie wenigstens, was anliegt und was nottut?
Sie malte das Schreckgespenst einer künftigen rot-rot-grünen Regierung an die Wand. Scherzte: »Die Opposition macht
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