Angela Merkel - Ein Irrtum
waren, gierige Banken, die sich vom Steuerzahler retten ließen, während ihr Führungspersonal ungerührt üppige Bonuszahlungen für ihr Missmanagement kassierte.
Doch schon damals steckte hinter dem Schlamassel jene Kraft, die Gutes will und Böses schafft. Es war der einst oberste aller Banker, der als kluger Wohltäter in die Geschichte eingehen wollte, der viel bewunderte Alan Greenspan nämlich, der als Präsident der US-Zentralbank durch niedrige Zinsen dafür sorgte, dass sich jeder Amerikaner sein Häuschen im Grünen gönnte, auch der, der es sich
nicht leisten konnte. Dieser liebenswürdigen Aufforderung zum Schuldenmachen verdankt die Welt einen Großteil des darauffolgenden Schlamassels, dessen Auswirkungen noch nicht abzusehen sind. Ein hehres Ziel also mit katastrophalen Folgen.
Gewiss, es waren die Banken, die Kunden ohne ausreichende Sicherheiten die billigen Kredite aufschwatzten. Aber es waren ihre Kunden, mündige Menschen, die unterschrieben.
Nicht viel anders verfuhr man in den Mitgliedsstaaten der europäischen Währungsunion. Billige Zinsen verleiteten dazu, die Staatsdefizite stark auszuweiten, um den Bürgern die strahlende Kulisse eines Wohlstandsstaates hinzustellen. Nicht nur in Griechenland wurde diese Chance genutzt. Der Bauboom in Spanien hat sichtbare Ruinen hinterlassen.
Den Banken hat das hohe Gewinne beschert, und all die »Rettungsschirme«, die nun dank Deutschland aufgespannt worden sind, werden dafür sorgen, dass sie keine allzu großen Verluste erleiden.
Angela Merkel also eine Kanzlerin der Banken? Ja und nein. Kein Politiker, der auf Mehrheiten angewiesen ist, legt seine Hand für die Profite der Banken ins Feuer. Jeder Politiker aber möchte ein Wohltäter sein. Dafür wiederum braucht er die Banken, bei denen er Schulden machen kann, um weiterhin zu garantieren, was die Bürger mittlerweile als Besitzstand ansehen: den Sozialstaat.
Rainer Hank hat die symbiotische Beziehung von Finanzmarkt und Sozialstaat erhellend beschrieben: »Banker
wissen, dass Politiker Geld brauchen, um den Wohltäter zu spielen, und dass ihnen selbst im Zweifel nichts passiert. Politiker wissen, dass Banken ihnen immer Geld leihen, solange sie damit nur ihren Reibach machen.« 4
Und ausgerechnet Angela Merkel macht das mit, sie, die stets davon gesprochen hat, dass wir über unsere Verhältnisse leben. Die aufräumen wollte mit einem überbordenden Sozialstaat, einem chaotischen Gesundheitssystem und einer den Gewerbefleiß der Bürger einschränkenden Steuerpolitik.
Und nun können »wir« uns »Steuergeschenke« nicht leisten. Stimmt. Nicht, solange die Deutschen den Zusammenhang nicht erkennen zwischen dem Wohltatenstaat und der Eurokrise.
Doch den Deutschen war der Sozialstaat stets heilig. Wer ihn antastet, bekommt den Volkszorn zu spüren oder jedenfalls den der meinenden Klasse. Guido Westerwelles Satz: »Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein«, wurde ihm umgehend ins freche Maul zurückgestopft. 5 Dass er vor allem ein Plädoyer für all diejenigen hielt, die hart arbeiten, aber den Hartz-IV-Regelsatz nur knapp verfehlen, übersahen seine Kritiker geflissentlich.
Was Westerwelle widerfuhr, passierte zwei Protagonisten der Sozialreform, wir erinnern uns, auf weit dramatischere Weise. Gerhard Schröder riskierte mit der Agenda 2010 alles und verlor die Zustimmung erst seiner Partei und dann der Wähler. Angela Merkel widerfuhr das Gleiche: Sie war 2005 mit einem sehr mutigen Reformprogramm angetreten und gewann die Wahl nur knapp.
Ihr kann man seither dabei zusehen, wie sie den Mut verliert – und mit ihr alle anderen auch. Noch 2005 hatten 39 Prozent der Befragten Schnitte ins soziale Netz befürwortet, während 41 Prozent dagegen waren. Drei Jahre später lehnten 71 Prozent jegliche Kürzung von Sozialleistungen ab. 6 Damit sprachen sich die Bürger allerdings nicht zugleich für Steuererhöhungen aus. Und so ist er wieder im Spiel, der Geist, der Gutes will und Böses schafft. Soll es uns trösten, dass neue sozialstaatliche Leistungen immerhin zu mehr Arbeitsplätzen bei ihrer Verwaltung führen?
Wer durchbricht den Zirkel, wer stört diese fatale Symbiose zwischen Finanzmarkt und Sozialstaat? Sicherlich nicht diejenigen, denen der »Rettungsschirm« gezeigt hat, dass ein Leben auf Pump straflos bleibt. Wer kann ihnen das verübeln?
Was also spricht für die EU, von Deutschland aus gesehen? Und wie wichtig ist der Euro
Weitere Kostenlose Bücher