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Angela Merkel

Titel: Angela Merkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Kurbjuweit
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ist Merkel eine Frau, an der eine strenge Mutter einiges auszusetzen hätte, an der Wortwahl zum Beispiel. Sie kann durchaus sagen, der eine oder andere solle doch »mal das Maul halten«. Weitere Konstanten sind ihr sarkastischer Witz und der Hang zur gespielten Überraschung. Wenn man sie mit Kritik konfrontiert, zeigt sie sich erst einmal überrascht, dass man das überhaupt so sehen kann. Aber das ist schon wieder ein Spiel, eine Fassade.
     
    Merkel zeigt sich weit weniger als ihre Vorgänger. Sie hat mehr Angst vor der Hysterisierung von Sätzen, vor dem Hervorkramen abgelebter Einlassungen, Angst vor Fehlerhaftigkeit, Angst vor Bildern, die Unangenehmes symbolisieren, Angst vor allem, das ihre Wiederwahl beeinträchtigen könnte. Und sie kann das durchhalten, weil sie nicht solchen inneren Dämonen ausgeliefert ist wie Schröder. Sie hat sich weitgehend im Griff, und deshalb gibt es nun zum ersten Mal die totale Inszenierung einer Kanzlerschaft. Aber das heißt auch, dass diese Kanzlerschaft glatt wirkt, vielfach geschmirgelt, poliert, lackiert, und zwar mit Mattlack lackiert. Kein Glanz. Es liegt etwas Roboterhaftes in all dem, Politik total als die Entfernung vom Prinzip Mensch, zu dem eben Leidenschaften, Abweichungen, Fehler gehören. Das alles wäre natürlich in Ordnung, wenn dabei eine gute Politik herauskäme.

DIE REFORMKANZLERIN
    Geschichte einer Selbstauflösung
    Die deutsche Politik hat in diesem jungen Jahrtausend drei Schicksalsjahre erlebt: 2001, das Jahr der Attacke auf Amerika, 2003, das Reformjahrin Deutschland, und 2008, das Jahr der Weltfinanzkrise. Jedes Mal haben sich die Grundlagen politischen Handelns weitgehend erneuert.
    Als am 11. September 2001 entführte Passagiermaschinen das World Trade Center in New York zum Einsturz brachten und das Pentagon in Washington erheblich beschädigten, als rund 3000 Menschen starben, begann der Krieg gegen den islamistischen Terrorismus. Er findet nicht nur im Irak und in Afghanistan statt, sondern auch in London, in Madrid, auf Bali und im Sauerland, wo eine deutschstämmige Terrorgruppe ausgehoben wurde. Deutsche Truppen stehen seit 2002 in Afghanistan, wo sie zunehmend attackiert werden.
    Merkel hat auf diesem Feld die Politik ihres Vorgängers Gerhard Schröder fortgesetzt: deutsche Soldaten in Afghanistan, keine deutschen Soldaten im Irak. Im Inneren wurden die Sicherheitsgesetze weiter verschärft. Merkel überließ das weitgehend ihrem Innenminister, Wolfgang Schäuble, CDU, und ihrer Justizministerin, Brigitte Zypries, SPD. Die Folgen des Jahres 2001 für die deutsche Politik sollen hier deshalb nur am Rande betrachtet werdenund nur soweit, wie sie Erkenntnisse über das Wesen der Bundeskanzlerin erlauben.
    Die Schicksalsjahre 2003 und 2008 und deren Folgen zeigen Merkel stärker als Akteurin, zunächst als Reformpolitikerin, dann als Krisenkanzlerin. Schauen wir in diesem Kapitel auf die Folgen von 2003 für Angela Merkel. Es ist die Geschichte einer Selbstauflösung.
     
    Die New Economy, die Zeit der großen Hoffnungen auf Geschäfte im Internet, hat zur Jahrtausendwende weltweit für einen Aufschwung gesorgt, auch in der Bundesrepublik. Es war eine Zeit eines Optimismus, der auch andere Wirtschaftszweige beflügelt hat. Deutschland ging es gut. Bundeskanzler Gerhard Schröder posierte im teuren Mantel von Brioni und plauderte bei »Wetten dass«. Merkel, damals Oppositionsführerin, las über den Kondratieff-Zyklus. Nach der Theorie des Ökonomen Nicolai Kondratieff kommt es alle 30 Jahre zu großen technologischen Entdeckungen, die der Wirtschaft einen langen Boom bescheren. Ist das Internet eine solche Entdeckung?, fragte sich nicht nur Angela Merkel. Steht ein neuer Daueraufschwung bevor, ein neuer Wohlstandssprung? Doch 2002 platzte dieser Traum. Hinter dem Aktien-Hype der New Economy steckten große Hoffnungen, aber keine realen Werte. Eine Menge Leute verloren viel Geld, eine Menge Unternehmen gingen baden. Es brach wieder Pessimismus aus, das Wachstum ging zurück, die Arbeitslosigkeit stieg.
    Schröder reagierte darauf im März 2003 mit derAgenda 2010, einem Programm, das die Sozialsysteme reformieren sollte. Die Arbeitslosenhilfe wurde abgeschafft und durch Hartz IV ersetzt. Seitdem kann ein Arbeitsloser ziemlich rasch auf das Einkommensniveau der Sozialhilfe rutschen. Die Arbeitsvermittlung wurde reformiert, die Zeit- und Leiharbeit erleichtert. Ein Ziel war, die Lohnnebenkosten zu senken, da sie die deutschen Unternehmen im

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