Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Wachmännern einen Weg zu den Kriegern. Sie folgen einem Engel, der fast so schön ist wie ein Krieger, doch gerade normal genug, um nicht bedrohlich zu wirken. Er sieht gut aus, ohne einzuschüchtern. Er hat warme Augen, Haare in der Farbe von Karamellbonbons und eine Nase, die einen Hauch zu groß ist für sein ansonsten vollkommenes Gesicht. Ein freundlicher Typ, der ständig lächelt – der geborene Politiker.
Er trägt einen hellgrauen Anzug, der ungefähr aus den Zwanzigern stammen dürfte, und polierte Schuhe. Eine goldene Uhrkette hängt in einer Schlaufe aus seiner Westentasche bis zu seiner Taille. Hier und da bleibt er stehen, um mit dem ein oder anderen ein Wort zu wechseln oder jemanden zu grüßen. Seine Stimme ist so warm wie seine Augen und so freundlich wie sein Lächeln. Und alle lächeln zurück.
Alle, bis auf die zwei Frauen, die ihn flankieren. Auf beiden Seiten stehen sie jeweils einen Schritt von ihm entfernt. Sie tragen das gleiche silberne Kleid, das sich auf dem Boden um ihre Füße legt und sie zu zwei identischen Platintrophäen macht. Sie sind Menschen, doch ihre Augen sind tot. Nur wenn ihnen der Politiker einen Blick zuwirft, kommt Leben in sie.
Furcht flackert in ihren Augen auf, ehe sie sofort wieder verlischt, als wäre ihre Zurschaustellung eine Einladung zu etwas wahrhaft Schrecklichem. Ich kann förmlich sehen, wie ihre Muskeln zittern, wie sie sich verkrampfen, um nicht vor dem Politiker zurückzuzucken.
Diese Frauen haben nicht einfach nur Angst vor ihm. Etwas in ihrem Inneren schreit vor Grauen.
Ich werfe dem lächelnden Engel einen zweiten Blick zu, doch ich entdecke nichts als Freundlichkeit und Aufrichtigkeit. Hätte ich nicht gesehen, wie die Frauen auf ihn reagieren, würde ich denken, er könnte mein bester Freund werden. In einer Welt, in der Instinkte wichtiger sind als alles andere, hat es etwas sehr Verstörendes, nicht in der Lage zu sein, ihn so wahrzunehmen, wie die Frauen ihn kennen.
Aufgrund des kreisförmigen Bewegungsstroms im Klub kommen der Politiker und ich aufeinander zu, während wir uns dem Separee nähern.
Als er aufblickt, erwischt er mich dabei, wie ich ihn ansehe.
Interesse flackert in seinem Gesicht auf, und er wirft mir ein Lächeln zu. So viel Freundlichkeit und Offenheit liegt darin, dass sich meine Lippen für den Bruchteil einer Sekunde unwillkürlich nach oben verziehen, bevor in meinem Kopf eine Alarmglocke schrillt.
Der Politiker hat mich bemerkt.
Ein Bild blitzt vor meinem inneren Auge auf, in dem ich wie eins seiner Trophäen-Mädchen angezogen bin. Mein wächsernes Gesicht ist leer und versucht verzweifelt, das Grauen zu verbergen.
Wovor haben diese Frauen solche Angst?
Ich gerate ins Straucheln, als würden sich meine Füße weigern, sich ihm zu nähern.
Ein Kellner im Smoking und mit weißen Handschuhen stellt sich vor mich und unterbricht den Blickkontakt zwischen mir und dem Politiker. Er bietet mir die Gläser mit schaumigem Champagner auf seinem Tablett an.
Um Zeit zu gewinnen, nehme ich mir eins. Ich konzentriere mich auf die aufsteigenden Bläschen in der goldenen Flüssigkeit, um mich zu sammeln. Als der Kellner sich umdreht, erhasche ich einen Blick auf den Politiker.
Er beugt sich gerade zum Tisch der Krieger vor und spricht mit leiser Stimme.
Ich seufze vor Erleichterung. Unser Moment ist ver strichen.
»Danke«, murmle ich dem Kellner zu.
»Bitte sehr, Miss.«
Etwas Vertrautes in seiner Stimme lässt mich aufblicken und ihm zum ersten Mal ins Gesicht sehen. Ich war so abgelenkt von dem Politiker, dass ich mir meinen Retter bislang noch nicht genau angeschaut habe.
Beim Anblick seiner roten Haare und der Sommersprossen auf seiner Nase reiße ich erschrocken die Augen auf. Es ist einer der Zwillinge, Dei oder Dum.
Sein Blick ist ausdruckslos professionell, ohne eine Spur von Überraschung oder Wiedererkennen.
Wow, er ist gut. Hätte ich nicht gedacht, so wie ich ihn früher erlebt habe. Aber die Zwillinge haben ja gesagt, sie seien Obis Meisterspione. Damals habe ich angenommen, sie würden scherzen oder übertreiben. Aber vielleicht habe ich mich geirrt.
Er deutet eine Verbeugung an und zieht sich zurück. Ich erwarte, dass er sich umdreht und mir ein schelmisches Lächeln zuwirft, doch stattdessen macht er einfach weiter und offeriert mit steifem Rücken seine Drinks. Wer hätte das gedacht?
Wie zufällig trete ich hinter eine Gruppe von Leuten, um mich vor dem Politiker zu verstecken. Wusste Dei-Dum,
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