Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
erschaffen. Und sind nicht ein paar von euch ebenso unsicher, ob es Gott gibt?«
»Na ja, schon, aber mit uns spricht er ja auch nicht.« Meine Mutter fällt mir ein. »Okay, ich gebe zu, es gibt Leute, die behaupten, mit Gott zu sprechen oder andersrum. Aber woher soll ich wissen, ob das stimmt?«
Meine Mom spricht ja nicht mal Englisch mit Gott. Es ist irgendeine erfundene Sprache, die nur sie versteht. Sie ist fanatisch in ihrem religiösen Glauben. Oder besser gesagt, sie ist fanatisch in ihrem Glauben an den Teufel.
Und ich? Sogar jetzt, mit Engeln und allem drum und dran, kann ich nicht an ihren Gott glauben. Obwohl ich zugebe, dass ich ihren Teufel spät in der Nacht fürchte. Alles in allem schätze ich, dass ich trotzdem noch ein Agnostiker bin. Nach allem, was wir wissen, könnten diese Engel eine fremde Spezies aus einer anderen Welt sein, die versucht, uns mit einer List dazu zu bringen, kampflos aufzugeben. Ich weiß nichts über Gott, Engel oder über die meisten Fragen des Lebens, und ich schätze, ich werde auch nie etwas darüber wissen. Und ich habe es akzeptiert.
Doch jetzt bin ich auf einen agnostischen Engel gestoßen.
»Du machst mir Kopfschmerzen.« Ich setze mich an den Tisch.
»Das Wort des Botschafters wird als der Wille Gottes akzeptiert. Wir richten uns danach. Das haben wir immer getan. Ob jeder von uns daran glaubt … Ob der Botschafter selbst daran glaubt … Das ist eine andere Sache.«
»Wenn also der nächste Botschafter befiehlt, alle übrig gebliebenen Menschen zu töten, einfach nur, weil ihm gerade danach ist, dann würden die Engel das tun?«
»Ohne Frage.« Raffe schiebt sich das letzte Stück seines Steaks in den Mund.
Ich lasse seine Worte auf mich wirken, während er aufsteht und sich für die Operation fertig macht.
Vorsichtig setzt er seinen Rucksack auf, der in weiße Handtücher gehüllt ist, um den Eindruck zu vermitteln, seine Flügel seien unter dem Jackett gefaltet.
Ich stehe auf und zupfe ihm das Jackett zurecht. »Sieht das nicht verdächtig aus?«
»Dort, wo ich hingehe, werden mich nicht viele sehen.«
Er geht zur Eingangstür und bleibt dann stehen. »Wenn ich bis Sonnenuntergang nicht zurück bin, geh Josiah suchen. Er wird dir helfen, aus dem Horst zu gelangen.«
Etwas Enges, Hartes krampft sich in meiner Brust zusammen.
Ich weiß nicht mal, wo er hingeht. Vielleicht zu irgendeinem Hinterhofmetzger, der bei funzligem Licht mit schmutzigem chirurgischem Besteck operiert.
»Warte.« Ich deute auf das Schwert auf der Theke. »Was ist mit deinem Schwert?«
»Ihr werden die ganzen Nadeln und Skalpelle in meiner Nähe nicht gefallen. Auf dem OP -Tisch kann sie mir ohnehin nicht helfen.«
Bei dem Gedanken, wie er hilflos auf einem Tisch liegt, umgeben von ihm feindlich gesinnten Engeln, spüre ich ein unbehagliches Flattern im Bauch. Ganz zu schweigen davon, dass der Widerstand während der OP angreifen könnte.
Soll ich ihn warnen?
Und riskieren, dass er seinen Leuten alles erzählt?
Abgesehen davon, was würde er tun, wenn er Bescheid wüsste? Die Operation absagen? Die einzige Hoffnung, die er hat, seine Flügel wiederzubekommen? Niemals.
Raffe geht durch die Tür, ohne ein warnendes Wort von mir.
34
Ich weiß nicht, was ich tun soll, außer auf und ab zu laufen.
Ich bin zu aufgeregt, um klar denken zu können. Meine Gedanken überschlagen sich vor lauter Sorgen, was mit Paige, meiner Mutter, Raffe und den Freiheitskämpfern passieren könnte.
Wie kann ich essen, schlafen und dem Luxus frönen, während Paige irgendwo ganz in der Nähe ist? Wenn das so weitergeht, könnte es noch Wochen dauern, bis wir einen Hinweis auf ihren Aufenthaltsort bekommen. Ich wünschte, ich könnte etwas tun, anstatt hilflos hier zu warten, bis Raffe aus dem OP -Labor kommt.
Aber soweit ich es mitbekommen habe, dürfen Menschen im Horst nirgendwohin, ohne von einem Engel begleitet zu werden.
Es sei denn, es handelt sich um Bedienstete …
Ein Dutzend verrückte Ideen – wie zum Beispiel die, einen der Angestellten anzuspringen und ihm die Uniform zu klauen – verwerfe ich sofort wieder. Das funktioniert vielleicht im Film, aber ich würde denjenigen wahrscheinlich zu Hunger und Elend verurteilen, weil man ihn aus dem Horst wirft. Ich finde es zwar nicht richtig, wenn Menschen für Engel arbeiten, aber wer bin ich, über die Art zu richten, mit der man die Krise überlebt und seiner Familie etwas zu essen beschafft?
Ich nehme den Telefonhörer ab und
Weitere Kostenlose Bücher