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Angelglass (German Edition)

Angelglass (German Edition)

Titel: Angelglass (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Barnett
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wirklich alles an John. Gott allein weiß, wo ich gelandet wäre, wenn er mich nicht aufgenommen hätte.«
    Padraig blinzelt angestrengt zur Uhr am Rathaus hinauf. »Jesus, wie spät es schon ist. Ich kann kaum glauben, dass ich die ganze Zeit so viel gequasselt habe. Wir machen uns jetzt besser auf den Rückweg.«
    Er ruft den Kellner herbei und übernimmt trotz meiner Proteste die Rechnung. Als er zum Aufbruch bereit ist, sagt er plötzlich: »Bist du sicher, dass unter dem Gedächtnisverlust nicht ein Priester in dir steckt? Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal einem völlig Fremden so viel von mir erzählt habe.«
    »Ich weiß nicht, was ich bin, Padraig.«
    »Ein guter Kerl«, sagt er und steht auf. »So scheint es mir zumindest. Jetzt lass uns gehen. Sonst macht Noel noch Kastagnetten aus unseren Eiern.«
    Die befürchtete Bestrafung durch Noel bleibt aus; unser um eine Viertelstunde verspätetes Eintreffen wird von dem schwergewichtigen Kneipenbesitzer nur mit einer hochgezogenen Augenbraue quittiert. »Ich bin mit Pooty alle nötigen Sachen durchgegangen«, erklärt Padraig, aber Noel scheucht uns nur mit einer Handbewegung hinter die Theke. Die zweite Hälfte meiner ersten Schicht geht schnell vorüber, und um sechs Uhr händigt uns Noel zwei verschlossene Umschläge aus.
    »Der Lohn«, sagt Padraig. »Noel zahlt am liebsten tageweise. Geld auf die Hand«, fügt er hinzu und klopft sich mit der Ecke des Umschlags an die Nase. »Du bist wieder ein vermögender Mann, mein Freund.«
    Als wir uns zum Aufbruch bereit machen, zieht Padraig Noel für einen Moment zur Seite. Während ich meine Schürze an einen Haken an der Theke hänge, kann ich nicht umhin, ihre gemurmelte Unterhaltung mit anzuhören.
    »Wegen dieses Zeugs da unten …«, beginnt Padraig.
    »Du kannst mich bezahlen, wenn dein Kumpel John wieder da ist«, erwidert Noel schroff. »Aber ich will alles bis morgen Abend hier raushaben. Kapiert?«
    »Wunderbar«, sagt Padraig lächelnd. »Komm, Pooty, lass uns nach Hause gehen.«
    Als wir zu Hause ankommen, sind alle versammelt. Cody hängt mit abwehrend verschränkten Armen auf dem Sofa, während Karla die Hände in die Hüften gestemmt hat und mit schräg gelegtem Kopf – wodurch ihre Locken sich scheinbar wütend über ihre Schulter hinwegkräuseln – mitten im Zimmer steht.
    »Ich kann’s verdammt noch mal nicht glauben, Cody! Du hast das doch schon seit Wochen gewusst. Wieso musst du mir ausgerechnet jetzt erzählen, dass du mit ein paar Nichtsnutzen, die du kaum kennst, heute Abend unbedingt in die Kneipe gehen musst?«
    »Sollen wir vielleicht wieder gehen und noch ein Glas trinken?«, fragt Padraig.
    Von unserer Anwesenheit überrascht, dreht sich Karla um. Cody ignoriert uns. »Erstens sind es keine Nichtsnutze, Karla«, sagt er, »sondern die verdammten Wombles persönlich, und zweitens möchte ich sie unbedingt näher kennenlernen, weil sie nächsten Monat äußerst nützlich sein könnten …«
    Padraig fasst meinen Arm. »Ich denke, wir sollten noch einen trinken gehen.«
    »Ihr rührt euch nicht von der Stelle!«, sagt Karla. »Wenn Cody mich heute im Stich lässt, dann muss mich einer von euch zu dieser Vernissage begleiten.«
    »Ich nicht«, sagt Padraig. »Ich bin total fertig. Ich muss morgen um sechs wieder anfangen und die Bierlieferung entgegennehmen. Wann fängst du morgen an, Pooty?«
    »Um zehn.«
    »Ah, na das passt doch«, sagt Padraig. »Sieh mal, Karla. Pooty wird dich heute Abend begleiten. Gib ihm ’ne Chance, sich ein bisschen umzusehen. Das erfrischt vielleicht sein Gedächtnis ein bisschen.«
    »Hm«, erwidert Karla und sieht zu Cody hinüber. Er wirft mir einen finsteren Blick zu, zuckt aber dann mit den Schultern. »Von mir aus.«
    »Gut, dann also abgemacht«, sagt Karla. »Wir brechen in einer halben Stunde auf.«
    Padraig schlägt mir vor, ein Bad zu nehmen und mich zu rasieren, bevor es losgeht. Er leiht mir noch ein paar andere Klamotten – ein frisches weißes Hemd, eine graue Hose und ein Paar Lederschuhe zum Schnüren. Jenny, die unseren flüchtigen Kuss gestern auf der Karlsbrücke mit keiner Silbe erwähnt hat, beschließt kurzerhand, am nächsten Tag mit mir neue Klamotten einzukaufen. Sie will sie mit ihrer Kreditkarte bezahlen und mir das Geld vorstrecken.
    Nachdem ich mein Gesicht eingeschäumt habe, betrachte ich für eine lange Weile mein von Dampf verzerrtes Spiegelbild. Aber es ist nicht dieses schmale weiße Gesicht mit der

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