Angelglass (German Edition)
ganze Unternehmen aufgeben, dem Schah mitteilen, dass unsere Mission gescheitert ist, und wieder zurück nach England fahren. Rudolf ist zu schwach, um gegen die Türken zu kämpfen.«
Er wendet sich wieder seinem Buch zu, sieht mich aber noch einmal an. »Mir ist nicht nach Gesellschaft zumute. Ihr könnt gehen.«
Ich bin etwas verlegen und will die Quartiere wieder verlassen, als mir plötzlich Percy hinterherruft: »Und ich habe nicht vergessen, dass Ihr noch meinen Mantel und meine Stiefel habt!«
Ich brenne darauf, Jakob von meinem Besuch beim Wahrsager zu erzählen und eile durch die dunklen Gänge des Schlosses zur Gewandkammer. Jakob ist erfreut, mich zu sehen. »Meister Poutnik! Wie steht es um Eure Mission? Hannah hat Euch doch wohl geholfen, nicht wahr? Ich weiß, sie hat manchmal eine spitze Zunge und zeigt keinen Respekt gegenüber Älteren, aber sie ist ein gutes Mädchen.«
»Hannah war sehr hilfsbereit. Aber jetzt würde ich gerne mit dir sprechen, Jakob. Hast du ein paar Minuten Zeit für mich?«
Er legt die Bürste beiseite, mit der er den Hermelinkragen eines prächtigen Gewands geglättet hat. »Ich wollte gerade eine kleine Pause machen, Meister Poutnik. Kann ich Euch etwas Tee anbieten?«
Der Tee ist unberührt geblieben und kalt geworden, als ich mit meinem Bericht schließlich ende. Ich erzähle Jakob alles; von unserer Begegnung mit Lang im Korridor, über die Episode mit den Wächtern auf der Karlsbrücke bis zu dem Zusammentreffen mit Ripellino und meinem Besuch im Getto.
»Meister Poutnik«, sagt Jakob nach einer Weile. »Ich danke Euch für Eure Offenheit, aber ich halte es nicht für klug, in diesem teuflischen Haus so viele Geheimnisse preiszugeben.«
»Ich bin der Intrigen müde geworden, Jakob«, erwidere ich seufzend. »Ich habe nicht darum gebeten, an diesen Ort gebracht oder zu Rudolfs Schoßhund gemacht zu werden. Ripellino hat nur bestätigt, was ich bereits zu vermuten begann; ich bin hier aus einem bestimmten Grund. Ich wünschte nur, ich könnte ihn deutlicher erkennen.«
»Aber die Unschuldigen«, will Jakob wissen. »Was hat das zu bedeuten? Wie sollt Ihr sie retten? Und vor wem?«
»Ich weiß nicht mehr als du.«
»Vielleicht müssen die Juden gerettet werden«, sagt Jakob zögernd.
»Der Rabbi hat so etwas Ähnliches angedeutet.«
Jakob sieht mich erstaunt an. »Meister Poutnik, als Ihr mir zum ersten Mal Euren Namen nanntet, habe ich Euch etwas verschwiegen. In meinem Volk gibt es eine Legende, eine Geschichte von einem Juden, der unentwegt die Welt durchstreift. Wir kennen ihn als den Wanderer, den Pilger, den Ewigen Juden. Oder, wie sie hier in Prag sagen, Poutnik.«
»Ich glaube nicht, dass ich euer Ewiger Jude bin, Jakob«, erwidere ich traurig. »Daran würde ich mich bestimmt erinnern.«
Er zuckt mit den Schultern. »Wer weiß? Ihr solltet die Geschichte zumindest im Gedächtnis behalten.«
Ich stehe auf und entschuldige mich für den nicht angerührten Tee. »Ich muss jetzt gehen. Danke fürs Zuhören, Jakob.«
»Danke für Euer Vertrauen«, erwidert er und geleitet mich zur Tür. Als ich in den leeren Korridor trete, blickt er umher und deutet mir an, noch einmal zu ihm zu kommen. »Hütet Euch vor dem Kammerherrn«, flüstert er. »Er ist ein misstrauischer Mensch. Es macht mir Sorgen, dass er Hannah heute Morgen mit ihrem Namen angesprochen hat. Für eine Person in seiner Stellung ist es nicht üblich, sich mit den persönlichen Angelegenheiten einer einfachen Küchenmagd zu befassen. Möglicherweise beobachtet er uns, Meister Poutnik.«
Ich verspreche ihm, achtzugeben, und mache mich auf den Weg. Vom Veitsdom höre ich viermal die Glocke schlagen und beeile mich, meine Verabredung mit Jakobs Tochter einzuhalten.
Hannah erwartet mich bereits an der Pulverbrücke, als ich über den Schlosshof gelaufen komme. »Ich hatte dich schon aufgegeben«, murmelt sie leise. Die selbstbewusste, schöne Hannah, die sich im Getto vor meinen Augen aus ihrer glanzlosen Schale befreit hat, ist nicht mehr erkennbar. Ein kleines Lächeln spielt dennoch auf ihren Lippen.
»Es tut mir leid, Hannah. Ich habe mich mit deinem Vater unterhalten.«
Als wir auf die Königlichen Gärten zugehen, sieht sie mich leicht besorgt an. »Du hast ihm doch nicht alles erzählt, was wir heute erlebt haben?«
»Wieso nicht? Er wirkt doch sehr vertrauenswürdig.«
»O ja, das ist er«, erwidert sie und betritt den Weg zu den duftenden Lauben der Kräutergärten. »Aber mein Vater
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