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Angelglass (German Edition)

Angelglass (German Edition)

Titel: Angelglass (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Barnett
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herunter und streckt seine spatengroße Hand aus.
    »Ihr müsst dieser Meister Poutnik sein, von dem wir schon so viel gehört haben«, sagt er mit freundlicher, trällernder Stimme. »Ich bin erfreut, Eure Bekanntschaft zu machen. Ich bin Finn, der Riese.«
    Finn geleitet mich in die
Weiße Rübe
, einer von Palastwachen und Soldaten besuchten Taverne nahe dem Schlosstor. Hannah musste zu meiner Enttäuschung ins Getto aufbrechen, wo sie etwas zu erledigen hat. Doch ich verdanke dem baumlangen Soldaten mein Leben und stelle angenehm überrascht fest, dass mir mein Status als Spiegel von Prag sogar zwei Krüge kostenloses Bier beschert, die mir der mürrische Wirt nicht ohne Widerwillen ausschenkt.
    »Ich kann Euch gar nicht genug danken«, sage ich, als Finn und ich uns zuprosten.
    »Ach, denkt nicht mehr daran. Ich hab zufällig an einem Baum gelehnt und wollte mir gerade mein Pfeifchen stopfen, bevor ich meine Truppen in die nächste Übung schicke. Ich konnte sehen, dass der Steinblock über Euch herabzustürzen drohte. Und für einen großen Kerl wie mich bewege ich mich ziemlich schnell. Viele finden das erstaunlich.«
    Er blickt in der Taverne umher und beugt sich dann verschwörerisch zu mir. »Jemand war da oben auf der Mauer, Meister Poutnik. Ich fürchte, dass es kein Unfall war.«
    Betrübt nicke ich und erinnere mich an das unverkennbare Schellenklingeln, kurz bevor der Stein mich fast getötet hätte. Jeppe, der Zwerg. Aber wieso? Das war weitaus mehr als unflätiges Benehmen. Hat er allein gehandelt, und wenn nicht, auf wessen Geheiß?
    »Aber sie haben die Rechnung ohne Finn gemacht«, dröhnt er, kippt das Bier in einem Schluck hinunter und gibt dem Wirt ein Zeichen, uns zwei neue zu geben.
    »Ohne den Hauptmann von Kaiser Rudolfs gefürchtetem Regiment der Riesen!«
    Die anderen Soldaten in der Taverne blicken kurz zu uns herüber, kehren aber schnell wieder zu ihrem Bier und Kartenspiel zurück. »Ein Regiment von Riesen?«, frage ich erstaunt.
    Das Bier wird gebracht, und Finns riesige Finger schnippen dem Jungen geschickt eine Münze zu. »Aye, Riesen. Zwanzig an der Zahl beim letzten Appell. Keine echten Riesen, wie Ihr sicher versteht. Keine übernatürlichen Gestalten wie Elfen oder Drachen. So würde uns Rudolf am liebsten sehen, aber wir sind nur große Männer. Missgeburten, wenn Ihr so wollt.«
    Wie sich herausstellt, wurde Finn an der Westküste Irlands geboren und lebte in einem kleinen Fischerdorf. Er wuchs und wuchs immer weiter. Im Alter von zwölf Jahren war er schon fast zwei Meter groß. Und als er neunzehn wurde, hatte er beinahe drei Meter erreicht. Er schloss sich einem fahrenden Zirkus an und geriet nach England, an den Hof von Königin Elisabeth. Dort hörte er von Rudolf und seiner Vorliebe für Abnormitäten. Also machte er sich auf den Weg nach Prag und verdingte sich zwischendurch als Söldner.
    »Am Hof von Kaiser Rudolf lässt es sich als Missgeburt gut leben«, sagt er freundlich, senkt aber gleich wieder die Stimme. »Offen gestanden haben die anderen Soldaten mit uns nicht viel zu schaffen. Das Regiment der Riesen ist nicht gerade kampferprobt. Wir sind eher eine Attraktion auf Rudolfs festlichen Hofgesellschaften. Aber niemand wagt es, uns zu kritisieren.« Finn lacht, sein breiter Mund ist so groß wie mein Kopf. »Oder würdet Ihr es wagen?«
    Da ich mich in Finns Gesellschaft sehr wohlfühle, bestelle ich zwei weitere Krüge Bier. Er wirft mir einen verschlagenen Blick zu. »Wer war denn das Mädchen, mit dem Ihr Euch im Garten vergnügen wolltet, bevor der Stein Eure Pläne durchkreuzte?«
    »Hannah? Sie ist eine Küchenmagd. Die Tochter von Jakob, dem kaiserlichen Kammerdiener.«
    »Eine gut aussehende Frau«, sagt Finn. »Das ist das Problem, wenn man ein Riese ist. Den Frauen gefällt die Vorstellung, aber sie lassen dich nicht ran, wenn’s um die entscheidende Phase geht. Na, immerhin gibt’s ein paar Huren in der Neustadt, die bei richtiger Bezahlung alles für dich tun.«
    »Woher wusstet Ihr eigentlich, wer ich bin?«
    Finn kichert. »Alle im Schloss kennen den Spiegel von Prag, den vom Himmel gefallenen Findling. Sir Anthonys Männer reden seit ihrer Ankunft von nichts anderem.«
    Da ich mit anderen schon viel zu offen über meine Situation gesprochen habe, biete ich dem Riesen keine weitere Erklärung an. Allerdings fragt er auch nicht weiter und erfreut sich bloß des Biers und unserer unverfänglichen Unterhaltung. »Abgesehen von den anderen Riesen

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