Angélique - Am Hof des Königs
zurückhaltend genug und trotzdem anmutig?«
»Solange Eure Augen diese Farbe haben, werdet Ihr niemals zurückhaltend aussehen«, entgegnete die Kammerfrau. »Selbst damals, als ich Euch unbändiges junges Ding zum ersten Mal in Eurem Schloss in Monteloup gesehen habe, habt Ihr die Männer angeschaut, als wolltet Ihr sagen: Ich gehöre dir, wenn du dir ein wenig Mühe gibst.«
»Ich? O Marguerite!«, rief Angélique entrüstet.
»Wie kommst du bloß auf solche Gedanken?«, fügte sie streng hinzu. »Du weißt besser als jeder andere, was für ein züchtiges Leben ich geführt habe.«
»Weil Ihr einen eifersüchtigen und wachsamen Gemahl hattet, der allen anderen Männern misstraute, auch wenn er es sich nicht anmerken ließ«, antwortete Marguerite. »Aber ich habe schon viele adlige Damen gesehen, und ich sage Euch, Ihr gehört zur gefährlichsten Sorte.«
»Ich?«, wiederholte Angélique unsicher.
Diese groß gewachsene Frau, deren Auftreten sie an das herrische Gebaren ihrer Amme erinnerte, schüchterte sie immer noch ein wenig ein.
»Ja, Madame. Weil Ihr in den Männern nicht ein flüchtiges Verlangen weckt, sondern die große Liebe. Die Liebe, auf die sie ein Leben lang gewartet haben. Und es ist ärgerlich, wenn das mehreren Männern gleichzeitig passiert. Wusstet Ihr, dass sich ein junger Mann aus Toulouse Euretwegen in die Garonne gestürzt hat?«
»Nein, das wusste ich nicht.«
»Ich werde Euch seinen Namen nicht verraten, denn Ihr habt ihn niemals bemerkt. Und genau deswegen ist er auch ins Wasser gegangen.«
Sie wurde von einem markerschütternden Geschrei unterbrochen, das aus dem Erdgeschoss heraufdrang. Die beiden Frauen hasteten hinaus auf den Treppenabsatz.
Durch das Treppenhaus schallten die Schreie einer zu Tode entsetzten Frau. Angélique rannte die Stufen hinunter, und als sie im Eingangsflur ankam, fand sie dort ihre Leute vor, die verblüfft auf der Schwelle standen.
Das Geschrei war noch nicht verstummt, doch inzwischen klang es gedämpft und schien aus einer hohen Truhe aus imitiertem Ebenholz zu kommen, die den Vorraum zierte.
Auch Hortense war herbeigeeilt. Sie öffnete die Truhe und zerrte die dicke Magd, die Angélique die Tür geöffnet hatte, sowie zwei Kinder von acht und vier Jahren heraus, die sich an ihre Röcke klammerten. Mme. Fallot versetzte dem Mädchen eine schallende Ohrfeige, ehe sie wissen wollte, was bloß in es gefahren sei.
»Da! Da!«, stammelte die Ärmste mit ausgestrecktem Finger.
Angélique schaute in die entsprechende Richtung und entdeckte den guten Kouassi-Ba, der sich schüchtern im Hintergrund hielt.
Hortense zuckte unwillkürlich zusammen, aber sofort hatte sie sich wieder in der Gewalt.
»Meine Güte, ja, das ist ein schwarzer Mann«, sagte sie trocken, »ein Mohr, da braucht man doch nicht so zu schreien. Habt Ihr noch nie einen Mohren gesehen?«
»N … nein, Madame.«
»Es gibt niemanden in Paris, der noch keinen Mohren gesehen hätte. Man merkt, dass Ihr gerade erst vom Land kommt. Ihr seid ein dummes Ding.«
Dann ging sie zu Angélique hinüber.
»Herzlichen Glückwunsch, meine Liebe!«, zischte sie ihr ins Ohr. »Du verstehst dich darauf, mein Haus in Aufruhr zu versetzen. Jetzt schleppst du hier sogar noch einen Wilden an! Womöglich
wird mich das Mädchen auf der Stelle verlassen. Und dabei hatte ich solche Mühe, es zu finden!«
»Kouassi-Ba«, rief Angélique, »die Kinder und diese junge Dame hier fürchten sich vor dir. Zeig ihnen doch einmal, wie lustig du sein kannst.«
Mit einem Satz sprang der Mohr vor. Die Magd heulte erneut auf und drückte sich an die Wand, als wollte sie darin verschwinden. Aber nachdem Kouassi-Ba ein paar Purzelbäume geschlagen hatte, zog er bunte Bälle aus seinen Taschen und begann mit erstaunlichem Geschick zu jonglieren. Seine Verletzung schien ihn nicht mehr zu behindern. Als er sah, dass die Kinder lächelten, griff er schließlich nach der Gitarre des jungen Giovani, setzte sich im Schneidersitz auf den Boden und hob mit seiner weichen, samtigen Stimme zu singen an.
Angélique ging zu den übrigen Bediensteten.
»Ich gebe euch etwas Geld, damit ihr in einer Herberge übernachten und etwas essen könnt«, sagte sie.
Der Kutscher trat einen Schritt vor und drehte verlegen seinen mit einer roten Feder geschmückten Filzhut, der zur prächtigen Livree des Grafen de Peyrac gehörte.
»Bitte, Madame, wir wollten Euch fragen, ob Ihr uns nicht auch den Rest von unserem Lohn geben könnt. Wir
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