Angélique - Am Hof des Königs
Zügen.
»Wer soll mir bloß das Haar richten, wenn Madame de Valbon krank ist?«, fuhr sie theatralisch fort. »Ihr habt doch alle miteinander plumpere Pfoten als ein Bär auf dem Jahrmarkt von Saint-Germain!«
»Madame …«, mischte sich Angélique ein.
Die beiden Balkone berührten einander beinahe in dieser schmalen Gasse von Saint-Jean-de-Luz, wo die kleinen Häuser zum Bersten voll mit Höflingen waren.
Jeder nahm Anteil an dem, was bei seinen Nachbarn vor sich ging. Und obwohl gerade erst ein milchiger, anislikörfarbener Morgen heraufdämmerte, summte die Stadt bereits wie ein Bienenstock.
»Madame«, versuchte es Angélique erneut, »kann ich Euch vielleicht behilflich sein? Wenn ich recht verstehe, seid Ihr wegen Eurer Frisur in Verlegenheit. Ich habe hier einen geschickten Perückenmacher mit seinen Eisen und Pudern. Er steht zu Eurer Verfügung, wenn Ihr mögt.«
Die Dame tupfte sich die etwas lang geratene, gerötete Nase und stieß einen tiefen Seufzer aus.
»Ihr seid zu freundlich, meine Liebe. Ich nehme Euer Angebot gerne an. Heute Morgen ist mit meinen Leuten einfach nichts anzufangen. Die Ankunft der Spanier bringt sie so sehr aus dem Häuschen, als befänden sie sich auf einem flämischen Schlachtfeld. Und bitte sagt mir, was ist schon der König von Spanien?«
»Nun ja, er ist der König von Spanien«, entgegnete Angélique lachend.
»Pah! Alles in allem ist seine Familie längst nicht von so hohem Adel wie die unsere. Schön, sie sitzen auf Bergen von Gold, aber sie essen Rüben und sind lästig wie Raben.«
»Ach, Madame, nehmt mir nicht meine Freude. Ich bin so gespannt darauf, all diese Fürsten zu sehen. Angeblich sollen Philipp IV. und seine Tochter, die Infantin, heute am spanischen Ufer eintreffen.«
»Das ist durchaus möglich. Ich jedenfalls werde sie nicht begrüßen können, denn bis dahin werde ich ganz bestimmt nicht fertig angekleidet sein.«
»Nur Geduld, Madame, ich ziehe mir rasch etwas Schickliches an und bringe Euch dann gleich meinen Friseur.«
Angélique kehrte hastig ins Zimmer zurück, wo ein unbeschreibliches Durcheinander herrschte. Marguerite und die Dienerinnen legten gerade letzte Hand an das prächtige Kleid ihrer Herrin. Alle Truhen und Schmuckschatullen standen offen, und Florimond krabbelte mit bloßem Hintern auf allen vieren begierig durch die ganze Pracht.
Joffrey muss mir sagen, welchen Schmuck ich zu diesem Kleid aus Goldstoff tragen soll, dachte Angélique, während sie ihr Hauskleid auszog und gegen eine schlichte Robe und einen Umhang tauschte.
Sie fand François Binet im Erdgeschoss ihrer Unterkunft, wo er die Nacht damit verbracht hatte, nicht nur mit Angélique befreundeten Toulouser Damen, sondern sogar noch den Dienerinnen, die sich ebenfalls herausputzen wollten, die Haare zu kräuseln.
Er nahm sein Kupferbecken, falls auch ein paar Herren rasiert zu werden wünschten, und sein von Kämmen, Eisen, Salben und falschen Zöpfen überquellendes Kästchen und folgte Angélique, zusammen mit einem kleinen Jungen, der seinen Kocher trug, ins Nachbarhaus.
Dieses schien noch überfüllter zu sein als das, in dem der Graf de Peyrac von einer alten entfernten Verwandten aufgenommen worden war.
Angélique bemerkte die schönen Livreen der Domestiken und vermutete, dass die verzweifelte Dame von hohem Stand sein müsse. Vorsichtshalber sank sie in einen tiefen Knicks, als sie vor ihr stand.
»Ihr seid so reizend«, sagte die Dame in schmerzlichem Ton, während der Friseur seine Utensilien auf einem Schemel anordnete. »Ohne Euch hätte ich vor lauter Weinen mein Gesicht ruiniert.«
»Heute ist doch kein Tag zum Weinen«, widersprach Angélique.
»Was wollt Ihr, meine Liebe, für mich ist nun einmal nicht die rechte Zeit für solche Lustbarkeiten.«
Sie verzog schmerzlich den Mund.
»Habt Ihr mein schwarzes Kleid nicht bemerkt? Ich habe vor kurzem meinen Vater verloren.«
»Oh, das tut mir furchtbar leid...«
»Wir haben einander so heftig verabscheut und uns so oft gestritten, dass es meinen Schmerz geradezu verdoppelt. Wie ärgerlich, ausgerechnet bei einem solchen Fest Trauer tragen zu müssen! Aber wie ich den boshaften Charakter meines Vaters kenne, habe ich den Verdacht …«
Sie verstummte kurz, um das Gesicht in den Kartontrichter zu stecken, den Binet ihr hinhielt, während er das Haar seiner Kundin ausgiebig mit einem duftenden Puder bestäubte. Angélique nieste.
»... Ich habe den Verdacht, dass er es absichtlich gemacht
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